Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

3. ZUSAMMENFASSENDE DARSTELLUNG DER IM RAHMEN DER UVU PROGNOSTIZIERTEN AUSWIRKUNGEN DES VORHABENS

In diesem Kapitel werden die in der UVU prognostizierten Beeinträchtigungen des UVP- Schutzgutes Tiere und Pflanzen noch einmal zusammenfassend dargestellt, um die in den folgenden Kapiteln behandelten Beeinträchtigungen von Arten oder Lebensraumtypen bzw. von Schutzgebieten in den Gesamtzusammenhang zu stellen. Zusätzlich werden im weiteren einige grundsätzliche Anmerkungen zu den Prognoseverfahren vorweggestellt, um den Textzusammenhang der folgenden Kapitel nicht mit diesen Ausführungen belasten zu müssen.

3.1 Hydromechanische Auswirkungen des Vorhabens

Zur Vorhersage der durch die geplante Fahrrinnenanpassung zu erwartenden Veränderungen der hydrologischen Kenngrößen wie z.B. Tidewasserstände und Strömungen wurde durch die Bundesanstalt für Wasserbau Außenstelle Küste (BAW-AK) ein international anerkanntes Modellsystem eingesetzt. Mit diesem ist es möglich, die vielfältigen Beziehungen und Einflußfaktoren innerhalb des Systems der Tideelbe zu berücksichtigen.

Die prognostizierten Veränderungen des Tidegeschehens bilden die Grundlage der Prognosen über die Auswirkungen des Vorhabens auf die Schutzgüter. Sie werden nachfolgend dargestellt.

Die Veränderungen der Tidewasserstände variieren in den einzelnen Streckenabschnitten der Elbe. Seewärts von Cuxhaven werden sich die Tidewasserstände in der Außenelbe nicht ändern. Zwischen Cuxhaven und Brokdorf ist eine Niedrigwasserabsenkung und eine Tidehubverstärkung von bis zu 2 cm zu erwarten. Oberhalb von Brokdorf steigen die Werte und erreichen ihr Maximum im Hamburger Hafen. Am Pegel St. Pauli kann das mittlere Tideniedrigwasser um bis zu 7 cm sinken, das mittlere Tidehochwasser kann bis zu 4 cm steigen, so daß sich der Tidehub um bis zu 11 cm verstärkt. Oberhalb von Hamburg nehmen diese Änderungen wieder ab (vgl. Abb. 6).

Die Überflutungsdauer beträgt im Bereich der Wattkanten der Niedrigwasserbereiche mehr als 10 Stunden. Es sind geringe vorhabenbedingte Änderungen von wenigen Minuten (Zu- bzw. Abnahmen der Überflutungsdauer) zu erwarten.

Die Flutdauer (Zeit des Anstiegs von Tideniedrig- bis Tidehochwasser) beträgt in der Außenelbe mindestens 5 2 Stunden und am Wehr Geesthacht noch mindestens 3 2 Stunden. Die Ebbedauer beträgt in der Außenelbe mindestens 6 2 Stunden und am Wehr Geesthacht mindestens 8 Stunden. Im Vergleich dazu sind mit Zu- oder Abnahmen der Flut- und Ebbedauer von 1 bis maximal 5 Minuten geringfügige vorhabenbedingte Änderungen zu erwarten.

Abb. 6: Ausbaubedingte Änderungen der Tidewasserstände im Längsschnitt

Änderungen der Flut- und Ebbestromdauer (Zeit zwischen zwei Umkehrungen der Fließrichtung) sind in sehr geringem, in der Natur nicht meßbarem Maße zu erwarten.

Die mittleren und maximalen Flut- und Ebbestromgeschwindigkeiten betragen in der Fahrrinne zwischen 60 cm/s und 200 cm/s. Im Vergleich zum Ist-Zustand werden in der Fahrrinne geringe Geschwindigkeitsänderungen von 0 cm/s bis 3 cm/s prognostiziert. Unmittelbar seitlich neben der Fahrrinne nimmt die Strömungsgeschwindigkeit leicht ab.

Die Transportkapazität der Tideströmungen ist für Sedimente in der Fahrrinne am höchsten. Es sind geringe vorhabenbedingte Änderungen von 0 % bis 3 %, vereinzelt bis 5 % zu erwarten.

Die Salzgehalte in der Elbe werden sich vorhabenbedingt nur geringfügig (< 1 0/00) ändern. Die obere Brackwassergrenze (Bereich, in dem sich Süß- und Salzwasser mischen) wird sich um etwa 500 m stromauf verlagern.

In den Elbenebenflüssen sind geringe vorhabenbedingte Änderungen der Tidewasserstände (1 bis 5 cm) und Salzgehalte (0 - 0,10/00) zu erwarten, die jeweils in den Mündungsbereichen dem prognostizierten Veränderungsmaß der Elbe entsprechen und sich stromauf verringern.

Im Falle von Sturmfluten ist mit Erhöhungen der höchsten Wasserstände von 1 cm bei schweren und bis 2,5 cm bei mittleren Sturmfluten zu rechnen. Die Sturmflutscheitelwasserstände werden sich nach dem Ausbau im Bereich Elbmündung bis Brunsbüttel maximal um 1 cm, zwischen Brunsbüttel und Hamburg um bis zu 2,5 cm erhöhen. Die Veränderungen sind so gering, daß der Sperrwerksbetrieb nicht geändert werden muß. Auswirkungen auf die Nebenflüsse und die Überschwemmungsbereiche sind nicht zu erwarten.

Durch das Vorhaben sind sehr geringe Änderungen des Seeganges zu erwarten, die jedoch nicht zu Mehrbelastungen der Deiche und Deckwerke führen. Auswirkungen auf die Oberflächenform der Sände und Watten sind nicht zu befürchten.

Durch die Vertiefung selbst werden die Ufer, Deckwerke und Deichfüße keiner erhöhten Belastung ausgesetzt.

Durch die Absenkung des Tideniedrigwassers wird es in einigen Bereichen zu Vergrößerungen der Wattflächen kommen. Die Tideniedrigwasserabsenkung wird in einigen Bereichen zur Verringerung von Flachwasserbereichen führen. Dies wirkt sich insbesondere in den ökologisch wertvollen Bereichen negativ aus. Der Gewässerboden in den Tiefwasserbereichen wird durch die Ausbaggerungen direkt beeinflußt. Indirekt wird er durch das Wiedereinstellen eines Gleichgewichtes zwischen Abtrag und Ablagerung beeinflußt; dies wird als "Morphologischer Nachlauf" bezeichnet.

3.2 Prognostizierte Beeinträchtigungen des Schutzgutes Tiere und Pflanzen

Die Tiere und Pflanzen im Untersuchungsgebiet werden bei Verwirklichung des Vorhabens insbesondere von

  • Auswirkungen der Baggerungen
  • Auswirkungen der Baggergutverbringung
  • Auswirkungen der Änderungen der Tidewasserstände und
  • Auswirkungen der Änderung des Salzgehaltes

betroffen.

Auswirkungen aufgrund der Baggerungen

Die Lebensgemeinschaft des Zoobenthos ist am unmittelbarsten von den geplanten Ausbaubaggerungen betroffen, da direkt in deren Lebensraum, in die Sedimente des Gewässerbodens, eingegriffen wird. Mit den Sedimenten werden auch die darin befindlichen Organismen entnommen, womit das Zoobenthos auf diesen Flächen nahezu vollständig beseitigt wird. Dies gilt unabhängig von der Baggertiefe oder der Menge des entnommenen Materials, da die nur wenige Zentimeter starke belebte oberste Sedimentschicht in jedem Fall entnommen wird. Die Gesamtfläche dieser Baggerbereiche umfaßt 2.240 ha.

Etwa ein Viertel dieser Flächen ist durch intensive Unterhaltungsbaggerungen der vergangenen Jahre so stark vorbelastet, daß die Ausbaubaggerungen hier zu keinen deutlichen Änderungen der Besiedlungsstruktur führen werden. Die übrigen 1.632 ha werden als erheblich beeinträchtigt eingestuft. Diese Beeinträchtigungen werden nach den Prognosen der UVU (vgl. Materialband VII) nicht dauerhaft wirksam sein, da die geschädigten Flächen innerhalb eines Zeitraumes von ein bis maximal drei Jahren nach Durchführung der Ausbaubaggerungen dem Ausgangszustand entsprechend wiederbesiedelt sein werden.

Als Folgewirkung der Querschnittsveränderung im Bereich der Fahrrinne ist abschnittsweise von einem erhöhten Unterhaltungsaufwand nach Abschluß der Maßnahme auszugehen, da in Bereichen mit Vertiefungen und/oder Verbreiterungen der Fahrrinne in den ersten Jahren nach dem Ausbau ein erhöhter Geschiebetransport und Sedimenteintrieb von den Flanken zu erwarten sein wird. Diese Bereiche überlagern sich teilweise mit den durch Ausbaubaggerungen erheblich beeinträchtigten Flächen. Die Teilflächen von 278 ha, auf denen sich diese Auswirkungen überlagern, werden aufgrund der daraus resultierenden Langfristigkeit der Auswirkungen als erheblich und nachhaltig beeinträchtigt eingestuft, während die verbleibenden 100 ha als erheblich, aber nicht nachhaltig beeinträchtigt eingestuft werden.

Darüber hinaus wird sich in Teilbereichen von 156 ha der Sedimenttyp der Fahrrinnenböschung verändern. Da hierbei die vorhandene Sanddeckschicht durch bindigen und sehr festen Geschiebemergel ersetzt wird, siedelt anschließend eine arten- und individuenverarmte Zoobenthosgemeinschaft. Die Änderung des Sedimenttyps wird daher als erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigung eingestuft.

 

Auswirkungen aufgrund der Baggergutverbringung

Die Verbringung des anfallenden Baggergutes erfolgt im wesentlichen im Gewässer. Auf den betroffenen Flächen kommt es zu ausbaubedingten Beeinträchtigungen der Zoobenthoslebensgemeinschaften. Diese Beeinträchtigungen werden allerdings nicht dauerhaft wirksam sein, da die geschädigten Flächen innerhalb eines Zeitraumes von ein bis maximal drei Jahren nach Durchführung der Baggergutverbringung dem Ausgangszustand entsprechend wiederbesiedelt sein werden. Die betroffenen Flächen (535 ha) werden als erheblich beeinträchtigt eingestuft. Bei zwei der so eingestuften Klappstellen wird sogar mit langfristigen Änderungen des Sedimenttyps gerechnet, so daß hierfür deutlich veränderte Milieubedingungen für die Zoobenthoslebensgemeinschaften prognostiziert wurden. Diese 31 ha umfassenden Flächen werden daher zusätzlich als nachhaltig beeinträchtigt eingestuft.

Das geplante Spülfeld Pagensand nimmt einschließlich der Böschungen eine Fläche von rd. 26 ha in Anspruch. Betroffen sind hiervon brachliegendes Intensivgrünland (7,4 ha), brachliegende Ackerflächen (8,4 ha) und Ruderalfluren (10,5 ha). Die von dem geplanten Spülfeld in Anspruch genommene Fläche wird als erheblich und nachhaltig beeinträchtigt eingestuft. Mit der Flächeninanspruchnahme ist auch der Verlust gefährdeter Pflanzenarten verbunden.

 

Auswirkungen aufgrund der Änderungen der Tidewasserstände

Die in Abbildung 6 als schraffierte Bänder dargestellten Bereiche kennzeichnen die ausbaubedingten Veränderungen der Tidewasserstände, die regelmäßig und häufig eintreten werden und somit für das Ökosystem maßgeblich sind. Für die Prognose werden jeweils die Maximalwerte der Bereiche zugrunde gelegt. Danach betragen die durch die BAW-AK prognostizierten maximalen ausbaubedingten Änderungen der Tidewasserstände für die Erhöhung des Tidehochwassers (Thw) 3 bis 4 cm (zwischen dem Wehr Geesthacht und der Elbinsel Pagensand) und für die Absenkung des Tideniedrigwassers (Tnw) 6 bis 7 cm (zwischen der Bunthäuser Spitze und der Elbinsel Lühesand).

Insbesondere die prognostizierten Thw-Erhöhungen haben Auswirkungen auf die Vegetation im Uferbereich, da hier Überflutungsdauer und -höhe als ökologische Standortfaktoren die Lebensräume von Pflanzengesellschaften und damit auch die Lebensraumsituation der Tiere maßgeblich beeinflussen. Selbst kleinste Änderungen der Überflutungsdynamik ziehen merkliche Veränderungen der räumlichen Ausdehnung und Lage von Pflanzengesellschaften nach sich.

Empfindlich gegenüber Veränderungen des Tidehochwassers sind v.a. folgende Biotoptypen: Salzwiesen, Röhrichte und Uferstaudenfluren sowie Weidenauwälder und Weidenauengebüsche.

Um eine Abschätzung der zu erwartenden Biotopflächenverluste vornehmen zu können, werden je nach Stärke der prognostizierten Änderung des Thw folgende Flächenverluste der oben aufgeführten Biotope zugrunde gelegt (vgl. MATERIALBAND VI):

  • prognostizierte maximale Thw-Erhöhungen < 1 cm: keine Biotopflächenverluste, da unterhalb des festgesetzten Schwellenwertes
  • prognostizierte maximale Thw-Erhöhungen von 1 bis 2 cm: Biotopflächenverluste von 2%, jedoch nur für Auwald und Auengebüsch, da nur der für diese Biotope geltende Schwellenwert überschritten wird
  • prognostizierte maximale Thw-Erhöhungen von 2 bis 3 cm: Biotopflächenverluste von 3,5% für alle betroffenen Biotoptypen
  • prognostizierte maximale Thw-Erhöhungen von 3 bis 4 cm: Biotopflächenverluste von 5% für alle betroffenen Biotoptypen

Salzwiesen werden damit durch die maßnahmebedingten Auswirkungen nicht beeinträchtigt, da die prognostizierten maximalen Erhöhungen des Tidehochwassers im Bereich ihres Vorkommens deutlich unter 1 cm liegen.

Unter Zugrundelegung der Verlustanteile und der prognostizierten Erhöhung ergibt sich insgesamt ein Biotopflächenverlust von 93,5 ha1 (betroffen sind Auwald-, Auengebüsch-. Röhricht- und Uferstaudenbiotope). Durch die Änderung der Tidewasserstände werden überwiegend wertvolle (z.B. Auengebüsch, Auenwald) und sehr wertvolle Biotoptypen (z.B. Flußwattröhricht) erheblich und nachhaltig beeinträchtigt.

Durch den Teilverlust dieser Biotoptypen geht röhrichtbrütenden Vogelarten, Nacht- und Kleinschmetterlingen sowie uferbewohnenden Käfern Lebensraum verloren. Darüber hinaus werden durch höhere Wasserstände potentielle Nistplätze ufernah brütender Vögel (z.B. Wachtelkönig, Säbelschnäbler, Kampfläufer) eingeschränkt.

 

Auswirkungen aufgrund der Änderungen der Salzgehalte

Angesichts der hohen natürlichen Salzgehalte und ihrer Schwankungsbreite in der Brackwasserzone ist die prognostizierte Zunahme der Salzgehalte von maximal 0,1 0/00 in der Regel unerheblich.

In der UVU wurde die Gefährdung von Gehölzen durch zunehmenden Salzeinfluß als Beeinträchtigungsrisiko eingestuft, für das keine Biotopflächenverluste bilanziert wurden. Da jedoch Weiden-Auengebüsche sowie alte Weiden und Kopfweiden sich im Bereich St. Margarethen bis Glückstadt und auf dem Außendeichland des Wischhafener Sandes unmittelbar an der Grenze ihres Überlebens befinden, werden hier Beeinträchtigungen dieser Biotoptypen bei vorhabenbedingten Verschiebungen der Brackwasserzone auftreten. Für den betroffenen Biotoptyp BAT (typisches Weidenauen-Gebüsch) bedeutet dies gegenüber den Prognosen in der UVU eine zusätzliche Beeinträchtigung, welche als erheblich und nachhaltig eingeschätzt wird, auf einer Fläche von ca. 1,5 ha (vgl. Kap. 6). Darüber hinaus sind Umwandlungen von Flußwattröhricht zugunsten von Brackwasserröhricht zu erwarten.

Durch die Ausbaggerungen, den erhöhten Unterhaltungsaufwand, ökologisch ungünstige Sedimenttypenänderungen, die Baggergutverbringung sowie die Veränderung der Tidewasserstände werden für die aquatischen und terrestrischen Lebensgemeinschaften insgesamt 2.544 ha als erheblich beeinträchtigt eingestuft. Davon werden 586 ha zusätzlich als nachhaltig beeinträchtigt eingestuft2.

Fußnoten:

1.) Geringfügige Änderungen der Quantifizierung des Eingriffsumfanges wurden aufgrund teilweise detaillierterer Betrachtungen erforderlich (vgl. Kap. 6).

2.) Die hier aufgeführten Flächenangaben beruhen auf der optimierten Vorhabensplanung, wie sie in Kapitel 2 dargestellt wurde, und weichen daher von den im Ergänzungsband zur UVS dargestellten Zahlen ab.