Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

4. ERLÄUTERUNGEN ZUR EUROPÄISCHEN VOGELSCHUTZ- UND ZUR FFH-RICHTLINIE SOWIE STAND DER AUSWEISUNG VON SCHUTZGEBIETEN NACH DIESEN RICHTLINIEN

Mit der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie liegen in der Europäischen Gemeinschaft zur Zeit zwei Richtlinien vor, die dem übergreifenden Schutz von Arten und Lebensgemeinschaften dienen:

  • Die als "Europäische Vogelschutzrichtlinie" bezeichnete "Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten", zuletzt geändert durch die Richtlinie 94/24/EG des Rates vom 8. Juni 1994 und
  • die als "FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie)" bezeichnete "Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen", geändert durch die Richtlinie 97/62/EG des Rates vom 27. Oktober 1997.

Im weiteren werden zunächst einige grundsätzliche Erläuterungen zu diesen beiden Naturschutzrichtlinien gegeben und der derzeitige Stand der Ausweisung von Schutzgebieten nach diesen Richtlinien im Untersuchungsgebiet dargestellt. Anschließend werden einige wesentliche Vorgaben der FFH-Richtlinie in bezug auf durchzuführende Verträglichkeitsprüfungen erläutert, die in den folgenden Kapiteln wieder aufgegriffen werden.

4.1 Europäische Vogelschutzrichtlinie

Das Ziel der Europäischen Vogelschutzrichtlinie ist der Schutz der wildlebenden Vogelarten und ihrer Lebensräume. Nach Artikel 3 und 4 der Europäischen Vogelschutzrichtlinie sind insbesondere die Lebensräume der in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Vogelarten zu sichern oder wiederherzustellen. Artikel 4 fordert darüber hinaus den Schutz der nicht in Anhang I genannten Zugvögel. Die Ausweisung als Europäisches Vogelschutzgebiet (Special Protection Area - SPA) nach Artikel 4 dieser Richtlinie erfolgt, indem die jeweiligen Gebiete von den Mitgliedsstaaten offiziell an die zuständige europäische Kommission gemeldet werden. In Deutschland werden die Gebiete von den Bundesländern ausgewählt und an das zuständige Bundesumweltministerium weitergeleitet, das die Meldung an die europäische Kommission vornimmt.

Im Untersuchungsgebiet der UVU gibt es eine Reihe ausgewiesener Europäischer Vogelschutzgebiete, die in der UVS (PLANUNGSGRUPPE ÖKOLOGIE + UMWELT NORD 1997a) und im MATERIALBAND XV dargestellt wurden (vgl. Karte 3 im MATERIALBAND XV bzw. Karte 7.4-6 der UVS). Darüber hinaus wurden vom Land Schleswig-Holstein nach Fertigstellung der Planfeststellungsunterlagen weitere Gebiete an die Europäische Kommission gemeldet (vgl. PRESSESTELLE DER LANDESREGIERUNG SCHLESWIG-HOLSTEIN vom 30. Oktober 1997). Diese Gebiete sind somit ebenfalls ausgewiesene Europäische Vogelschutzgebiete (Special Protection Area) nach Artikel 4 der Europäischen Vogelschutzrichtlinie. Im Untersuchungsgebiet der UVU sind damit zusätzlich zu den in den Planfeststellungsunterlagen dargestellten Europäischen Vogelschutzgebieten zwischenzeitlich der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und das Naturschutzgebiet (NSG) "Neßsand" (nur das schleswig-holsteinische NSG) als Europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesen worden. In Hamburg erfolgte darüber hinaus im März 1998 die Meldung des Mühlenberger Loches als Europäisches Vogelschutzgebiet. In Niedersachsen ist die Ausweisung weiterer Vogelschutzgebiete im Untersuchungsgebiet zur Zeit nicht vorgesehen.

Karte 2 stellt den aktuellen Stand der Ausweisung und Planung von Europäischen Vogelschutzgebieten dar.

4.2 FFH-Richtlinie

Die FFH-Richtlinie dient dem Ziel, die biologische Vielfalt zu erhalten. Dazu soll in Zukunft ein kohärentes europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung NATURA 2000 errichtet werden. Die bestehenden Europäischen Vogelschutzgebiete werden in das Schutzgebietssystem integriert und sind damit bereits jetzt Bestandteil von Natura 2000.

Die Errichtung des angestrebten FFH-Schutzgebietssystems befindet sich zur Zeit im Vorbereitungsstadium, so daß mit Ausnahme der bestehenden Europäischen Vogelschutzgebiete (s.o.) noch keine verbindlich ausgewiesenen Schutzgebiete nach dieser Richtlinie existieren.

Schleswig-Holstein hat dem für die Weiterleitung an die Europäische Kommission zuständigen Bundesumweltministerium Mitte 1996 eine erste Gebietsliste der geplanten FFH-Schutzgebiete übergeben. Dazu gehört im Untersuchungsgebiet der UVU

  • der "Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer",
  • das NSG "Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland",
  • das NSG "Eschschallen im Seestermüher Vorland" und
  • das NSG "Neßsand".

Die Liste wurde zwischenzeitlich an die Europäische Kommission weitergeleitet (vgl. PRESSESTELLE DER LANDESREGIERUNG SCHLESWIG-HOLSTEIN vom 30. Oktober 1997). Mit einer Eintragung durch die EU-Kommission ist Mitte 1998 zu rechnen (vgl. LANDSCHAFTSPROGRAMM SCHLESWIG-HOLSTEIN ENTWURF 1997).

Im Landschaftsprogrammentwurf (Stand April 1997) werden darüber hinaus "Prüfgebiete für den Aufbau des Programmes "Natura 2000" dargestellt, für die die Ausweisung weiterer Teilflächen vorgesehen ist. Im Untersuchungsgebiet wird

  • der gesamte Elbbereich von Wedel bis Neufeld zwischen der Hauptdeichlinie und der Landesgrenze in der Strommitte sowie
  • die Wedeler Marsch und
  • die Mündungsbereiche von Pinnau und
  • Krückau

entsprechend dargestellt.

In Niedersachsen wurden bisher noch keine Gebiete gemeldet. Die Fachbehörde für Naturschutz im Niedersächsischen Landesamt für Naturschutz (NLÖ) hat jedoch Ende 1996 eine Karte mit Abgrenzungen der geplanten FFH-Gebiete vorgelegt, die die fachlichen Kriterien zur Meldung als FFH-Gebiete erfüllen. Diese Karte wurde einem Abstimmungsprozeß auf regionaler Ebene unterworfen, wobei teilweise erhebliche Widerstände gegen die Ausweisung dieser Gebiete als FFH-Schutzgebiete auftraten. Dazu wurde Mitte 1997 ein Kabinettsbeschluß über 84 (von 164) meldefähige Gebiete gefaßt.

In Hamburg werden zur Zeit die als Schutzgebiete nach der FFH-Richtlinie vorgesehenen Gebiete über das Bundesumweltministerium an die EU-Kommission gemeldet. Die bisherigen Meldungen lagen außerhalb des zu betrachtenden Untersuchungsgebietes. Laut Koalitionsvereinbarung der derzeit in Hamburg regierenden Parteien (vgl. SPD & GAL 1997) sind folgende Gebiete zur Meldung vorgesehen:

  • Zollenspieker,
  • Heuckenlock,
  • Schweensand,
  • Neßsand und Hamburgisches Wattenmeer.

Für die Altengammer Elbwiesen und das Mühlenberger Loch soll die Anmeldung noch geprüft werden.

Unabhängig von diesen offiziellen Bestrebungen der zuständigen Bundesländer, der Verpflichtung zur Meldung geeigneter FFH-Gebiete nachzukommen, hat der Naturschutzbund Deutschland (NABU) eine "Vorschlagsliste für Schutzgebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung gemäß Fauna-Flora Habitat-Richtlinie der Europäischen Union (SAC´s)" vorgelegt, die über die oben beschriebenen Flächen hinaus weitere Gebiete benennt, die hier berücksichtigt werden (vgl. Kap. 7):

  • Ilmenau-Luhe-Niederung
  • Pinnau
  • Krückau

Eine Übersicht über die zur Ausweisung vorgesehenen Gebiete, die in Kapitel 7 der vorliegenden Studie behandelt werden, liefert Karte 3.

4.3 Verträglichkeitsprüfung im Sinne der FFH-Richtlinie

Die FFH-Richtlinie schreibt in Artikel 6, Abs. 3 und 4 für die Besonderen Schutzgebiete (FFH-Gebiete und Europäische Vogelschutzgebiete) eine Verträglichkeitsprüfung für den Fall vor, daß ein geplantes Vorhaben solche Gebiete erheblich beeinträchigen könnte:

"(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen oder Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4, stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, daß das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4) Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternative nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, daß die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen.

Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und /oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden."

Die zentrale Fragestellung, die mit der vorliegenden Studie zu beantworten ist, ist daher die, ob das geplante Vorhaben und die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen mit den für das Gebiet festgelegten Erhaltungszielen verträglich sind. Insbesondere ist zu klären, ob eine erhebliche Beeinträchtigung des Schutzgebietes zu erwarten ist.

In Artikel 1 e der FFH-Richtlinie wird in bezug auf den "Erhaltungszustand" eines natürlichen Lebensraumes festgelegt, daß dieser als "günstig" angesehen wird, wenn

  • sein natürliches Verbreitungsgebiet sowie die Flächen, die er in diesem Gebiet einnimmt, beständig sind oder sich ausdehnen,
  • die für seinen langfristigen Fortbestand notwendige Struktur und spezifischen Funktionen bestehen und in absehbarer Zukunft wahrscheinlich weiterbestehen werden und
  • der Erhaltungszustand der für ihn charakteristischen Arten günstig ist.

Im selben Artikel unter i wird der "Erhaltungszustand einer Art" als Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten in einem Gebiet auswirken können, definiert. Der Erhaltungszustand wird als "günstig" betrachtet, wenn

  • aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, daß diese Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraumes, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird und
  • das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und
  • ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Populationen dieser Art zu sichern.

Der Deutsche Bundestag hat am 26. März 1998 das "Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes" angenommen, das der Umsetzung der Europäischen Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie in nationales Recht dient. Das Gesetz trat am 9. Mai 1998 (einen Tag nach der Verkündigung im Bundesgesetzblatt) in Kraft. § 19c des geänderten Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) werden zur Verträglichkeit und Unzulässigkeit von Projekten folgende Festsetzungen getroffen:

"(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines Europäischen Vogelschutzgebiets zu überprüfen. Bei Schutzgebieten im Sinne des § 12 Abs. 1 ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften." Schutzgebiete im Sinne des § 12 Abs. 1 sind z.B. Nationalparke, Naturschutzgebiete (NSG) und Landschaftsschutzgebiete (LSG). In § 19a wird unter Pkt. 7 "Erhaltungsziele" folgende Begriffsbestimmung angegeben:

"Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands

a) der in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten natürlichen Lebensräume und der in Anhang II dieser Richtlinie aufgeführten Tier- und Pflanzenarten, die in einem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung vorkommen.

b) der in Anhang I der Richtlinie 79/409/EWG aufgeführten und der in Artikel 4 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Vogelarten sowie ihrer Lebensräume, die in einem Europäischen Vogelschutzgebiet vorkommen".

Der Maßstab für die Beurteilung der Verträglichkeit ist damit aus den Schutzzwecken evtl. vorhandener, ausgewiesener Schutzgebiete, sowie aus dem günstigen Erhaltungszustand der in den Anhängen der Richtlinien aufgeführten Lebensräume und Arten, abzuleiten.

In § 19c Abs. 2 wird in bezug auf die Zulässigkeit von Projekten folgende Festsetzung getroffen: "Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, daß das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen eines in Absatz 1 genannten Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig." Hieraus sind als weiterer Beurteilungsmaßstab die für die Erhaltungziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteile abzuleiten.

Nach § 19c Abs. 3 darf ein Projekt abweichend von Absatz 2 jedoch auch zugelassen oder durchgeführt werden, "soweit es

  1. aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
  2. zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind1."

Fußnoten:

1.) Die Betrachtung von Alternativen/Varianten hat bereits in der UVU stattgefunden. Die wesentlichen Ergebnisse werden dort in Kapitel 2 dargestellt (vgl. PLANUNGSGRUPPE ÖKOLOGIE + UMWELT NORD 1997a).