Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

6. AUSWIRKUNGEN AUF LEBENSRÄUME UND ARTEN DER FFH-RICHTLINIE

In der FFH-Richtlinie werden in den Anhängen I und II die Lebensräume und Arten von gemeinschaftlichem Interesse aufgeführt, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. In beiden Anhängen werden zusätzlich Lebensräume bzw. Arten als "prioritär" gekennzeichnet. Für die Erhaltung dieser Arten und Lebensräume kommt den Mitgliedsstaaten der EU eine besondere Verantwortung zu.

6.1 Lebensräume gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie

Als Datengrundlage wird die im Außendeichsgebiet flächendeckend erhobene Biotoptypenkartierung des Büros für Biologische Bestandsaufnahmen nach dem Niedersächsischen Kartierschlüssel zusammen mit den in dieser Arbeit wiedergegebenen Kartierungen anderer früherer Bearbeiter (MATERIALBAND VI, Anhang 1) herangezogen. Diese Datengrundlage ermöglicht die Beschreibung des Vorkommens von Lebensraumtypen im Untersuchungsgebiet.

Zunächst wird das Vorkommen von Lebensräumen gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie geprüft und anschließend die Betroffenheit dieser Lebensräume dargestellt.

6.1.1 Diskussion des Vorkommens von Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie im Untersuchungsgebiet

Von den in Anhang I aufgeführten Lebensraumtypen stehen im Untersuchungsgebiet folgende "Natürliche Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse" zur Diskussion. Dies bedeutet, daß die aufgeführten Typen zumindest in Anklängen gefunden werden konnten:

 

Code1 Lebensraumtyp2

1 Lebensräume in Küstenbereichen und halophytische Vegetation

11 Meeresgewässer und Gezeitenzonen

1110 Sandbänke mit nur schwacher ständiger Überflutung durch Meerwasser

1130 Ästuarien

1140 Vegetationsfreies Schlick-, Sand- und Mischwatt

1150 *Lagunen des Küstenraumes (Strandseen)

1160 Flache große Meeresarme und -buchten (Flachwasserbereiche und Seegraswiesen)

12 Felsenküsten und Kiesstrände

1210 Einjährige Spülsäume

13 Atlantische Salzsümpfe und -wiesen sowie Salzsümpfe und -wiesen im Binnenland

1310 Pioniervegetation mit Salicornia und anderen einjährigen Arten auf Schlamm und Sand (Quellerwatt)

1320 Schlickgrasbestände (Spartinion maritimae)

1330 Atlantische Salzwiesen (Glauco-Puccinellietalia maritimae)

2 Dünen an Meeresküsten und im Binnenland

21 Dünen an den Küsten des Atlantiks sowie der Nord- und Ostsee

2110 Primärdünen

2120 Weißdünen mit Strandhafer Ammophila arenaria

2130 *Festliegende Küstendünen mit krautiger Vegetation (Graudünen)

2140 *Entkalkte Dünen mit Krähenbeere Empetrum nigrum

2150 *Festliegende entkalkte Dünen der atlantischen Zone (Calluno-Ulicetea)

2190 Feuchte Dünentäler

3 Süßwasserlebensräume

32 FließgewässerBAbschnitte von Wasserläufen mit natürlicher bzw. naturnaher Dynamik (kleine, mittlere und große Fließgewässer), deren Wasserqualität keine nennenswerte Beeinträchtigung aufweist

3270 Flüsse mit Schlammbänken mit Vegetation des Chenopodion rubri p.p. und Bidention p.p.

6 Natürliches und naturnahes Grasland

64 Naturnahes feuchtes Grasland mit hohen Gräsern

6430 Feuchte Hochstaudenfluren der planaren und montanen bis alpinen Stufe

6440 Brenndolden-Auenwiesen (Cnidion dubii)

65 Mesophiles Grünland

6510 Magere Flachland-Mähwiesen (Alopecurus pratensis, Sanguisorba officinalis)

9 Wälder

91 Wälder des gemäßigten Europas

91E0 *Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae)

91F0 Hartholzauenwälder mit Quercus robur, Ulmus laevis, Ulmus minor, Fraxinus excelsior oder Fraxinus angustifolia (Ulmenion minoris)

Da diese Lebensraumtypen in unterschiedlicher Weise ausgeprägt sein können und bei stark degenerierten Formen die Frage nach der tatsächlichen Zugehörigkeit zu einer der genannten Typen diskutiert werden muß, wurden die "Definitionsvorschläge und Ergänzungen - 3. Fassung - Auszug für die Bundesrepublik Deutschland - Stand: Februar 1994" (SSYMANK et al. 1994) herangezogen. Wenngleich diese Definitionsvorschläge sich nicht auf die neueste Fassung der FFH-Anhänge beziehen können, sind doch alle hier vorkommenden Typen bis auf den Lebensraumtyp mit der Code-Nr. 2150 aufgeführt. Anmerkungen der Definitionsvorschläge zu Typ 3270 wurden in die neue Fassung der Richtlinie eingearbeitet.

Die im Untersuchungsgebiet angetroffenen Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse oder prioritären Lebensraumtypen werden in den folgenden Absätzen auf die Erfüllung der Mindestanforderungen hin diskutiert.

Sandbänke mit nur schwacher ständiger Überflutung durch Meerwasser

Der Text der "Definitionsvorschläge und Erweiterungen" (SSYMANK et al. 1994) spricht von Überspülung statt Überflutung. Dieser Unterschied ist wesentlich, denn die Überflutung der neuen Fassung drückt die ständige Wasserbedeckung besser aus. Die Definition lautet: "Sandbänke, die bis dicht unter die Meeresoberfläche (Wassertiefe selten über 12 m) reichen und bei MTnw noch nicht freifallen, einschließlich des darüber liegenden Wasserkörpers."

Dieser Lebensraumtyp ist frei von höheren Pflanzen, wird allerdings als Seehundliegeplatz angegeben. Dies erscheint bei ständiger Wasserbedeckung unwahrscheinlich. Sandbänke im freien Meer, die bei Ebbe regelmäßig trockenfallen, sind als Teile des Sandwatts aufzufassen und dort erfaßt.

Da im Untersuchungsgebiet der UVU keine ständig überfluteten Seehundliegeplätze gefunden worden sind und die einzige, im terrestrischen Untersuchungsbereich in Frage kommende Sandbank, auf der die Inseln Nigehörn und Scharhörn liegen, eindeutig bei Ebbe trockenfällt, ist dieser Lebensraumtyp im Untersuchungsgebiet nicht vorhanden.

Ästuarien

Nach dem Text der "Definitionsvorschläge und Erweiterungen" (SSYMANK et al. 1994) handelt es sich um Flußmündungen ins Meer, solange noch Brackwasser- bzw. Tideeinfluß besteht, mit Lebensgemeinschaften des Gewässergrundes, der Ufer und des Gewässerkörpers. Im Gegensatz zu den "flachen Meeresbuchten" besteht ein deutlicher süßwasserbeeinflußter Wasserdurchstrom. Die Ufervegetation (Uferhochstauden, Einjährigen-Bestände, Tidenauenwald etc.) ist mit eingeschlossen. Es wird ferner darauf hingewiesen, daß Süßwasserflußwatt ebenso wie Tidenauen eingeschlossen werden sollte.

Man kann daraus folgern, daß bisher weder Süßwasserwatt noch Tideauen in die Definitionsvorschläge eingeschlossen sind. Dafür spricht auch die unklare Definition der Auenwälder, die eigentlich die tagesperiodisch überfluteten Tideauenwälder nicht mit einschließt. Das "bzw." innerhalb der Definitionsvorschläge muß hier wohl im Sinne von "oder" verstanden werden, d. h. daß Brackwassereinfluß oder Tideeinfluß zur Erfüllung der Kriterien ausreichen. Im "Interpretation manual of european union habitats" Version EUR 15 vom 25. 4. 96 (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) werden Ästuare jedoch als "subject to the tide and extending from the limit of brackish waters" definiert. Danach müßten entsprechend der formalen Logik einer und-Verknüpfung beide Bedingungen erfüllt sein, um die Definition zu erfüllen.

Diese Unterscheidung ist außerordentlich wichtig, da der Einfluß der geplanten Maßnahme der Fahrrinnenanpassung im Brackwasserbereich nur sehr gering ist, im Süßwasserbereich bis Geesthacht jedoch merklich höher. Je nach angenommener Lage der Süßwasser-/Brackwassergrenze endet dieser Lebensraumtyp nach der neuesten Definition landeinwärts im Bereich zwischen Rhinplate und Haseldorf. In Hamburg und den oberhalb liegenden Elbabschnitten käme dieser Typ nicht mehr vor. Unabhängig von dieser Frage ist der Lebensraumtyp der Ästuarien im Untersuchungsgebiet eindeutig vertreten.

Vegetationsfreies Schlick-, Sand- und Mischwatt

Die hier zusammengefaßten Wattflächen, die bei Ebbe regelmäßig trockenfallen, sind ein wichtiger Nahrungsplatz von Wasservögeln mit besonderer Bedeutung für Zugvögel im Zusammenhang mit Mauser, Rast und Überwinterung. Trockenfallende Sandbänke sind hier eingeschlossen und dienen oft als Seehundliegeplätze.

Dieser Lebensraumtyp kommt eindeutig im Untersuchungsgebiet vor und stellt flächenmäßig den größten Anteil nach den ständig wasserbedeckten Flächen. Er erstreckt sich allerdings nur auf die Küstenbereiche und damit zusammenhängende Lagunen und Seen. Die Süß- und Brackwasserwatten zählen zum Lebensraumtyp der Ästuare.

*Lagunen des Küstenraumes (Strandseen)

Dieser prioritäre Lebensraum ist nach dem Niedersächsischen Kartierschlüssel für Biotoptypen einmal auf Scharhörn kartiert worden. Die Definition besagt, daß es sich um vom Meerwasser abgeschnittene, salzige/brackige Küstengewässer handelt, die oft nur durch schmale Strandwälle, seltener auch durch Geröllwälle oder Felsriegel vom Meer getrennt sind und gelegentlich bei winterlichen Sturmfluten noch Meerwassereinbrüche verzeichnen. Der Salzgehalt und der Wasserstand der Strandseen kann stark variieren. Die Salinität ist oft deutlich höher als die des Meeres. Die Strandseen sind vegetationsfrei oder mit salzzeigenden Unterwasserpflanzen bewachsen und kommen hauptsächlich an Mittelmeer- und Ostseeküsten vor.

Da auch die neuere Definition des "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) von flachen salzigen Küstengewässern spricht, müßte man von einer dauernden Wasserführung ausgehen. Im vorliegenden Fall, auf Scharhörn, wurde vom Kartierer jedoch kein freies Wasser festgestellt. Er führt nur an, daß sich auf dem trockenen Boden der beiden Senken ein Massenbestand von Geruchloser Kamille ausgebreitet hat. Diese Senken fallen die meiste Zeit des Sommers trocken und stehen nur im Winter unter Wasser.

Wegen der nur zeitweisen Wasserführung, die nur nach Sturmfluten etwas verlängert ist gegenüber der höherliegenden Umgebung, wird davon ausgegangen, daß dieser Biotoptyp im Untersuchungsgebiet dem eines "Strandsees" entspricht.

Flache große Meeresarme und -buchten (Flachwasserzonen und Seegraswiesen)

In den "Definitionsvorschlägen und Erweiterungen" (SSYMANK et al. 1994) wird dieser Lebensraumtyp definiert als: "Flache große Meeresarme und -buchten mit ihren Flachwasserzonen bis 10 m Tiefe, insbesondere zwischen den Inselketten der Nordsee und dem Festland (soweit nicht Wattflächen), ...; je nach Gebiet unterschiedliche Substrate (Hart-/Weichsubstrate), vegetationsfrei oder mit Seegraswiesen." Als entsprechende deutsche Biotoptypen werden u. a. Flachwasserzonen der Nordsee (Meeresarme und -buchten, incl. Seegraswiesen) angegeben. Die neuere Definition des "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) spricht von großen Einbuchtungen der Küste, in denen im Kontrast zu Ästuaren der Süßwassereinfluß in der Regel gering ist. Sie sind meist vor Wellen geschützt und beinhalten eine große Zahl von Sedimenten und Substraten mit einer gut entwickelten Zonierung benthischer Lebensgemeinschaften.

Im Bereich des Wattenmeers gibt es große Priele bzw. sogenannte Seegatts zwischen den Inseln, die das Wasser von den Wattflächen abführen und zur Flut wieder hinleiten. Sie sind als Biotoptyp KWR (Wattrinne) in die vorhandenen Grundkarten eingezeichnet worden. Die Biotoptypen KMF (Flachwasserzone der Nordsee) und KMS (Seegras-Wiese des Sublitorals) wurden in der Biotopkartierung jedoch nicht ausgewiesen. Obwohl im Untersuchungsgebiet nur die Inseln Neuwerk und Scharhörn/Nigehörn vorgelagert sind und einen Wellenschutz bieten, so kommt dieser Lebensraumtyp doch zumindest in einigen Bereichen des Wattenmeeres vor, wenngleich man sich über die Ausdehnung streiten kann.

Einjährige Spülsäume

Wenngleich in den "Definitionsvorschlägen und Erweiterungen" (SSYMANK et al. 1994) dieser Lebensraumtyp auch für Sandstrand genannt wird, handelt es sich hier unseres Erachtens um einen Fehler, denn der Obertyp "Felsenküsten und Kiesstrände" kommt im Untersuchungsraum nicht vor.

Pioniervegetation mit Salicornia und anderen einjährigen Arten auf Schlamm und Sand (Quellerwatt)

Das Auftreten von Quellerwatt im Untersuchungsgebiet ist durch die Biotoptypenkartierung gut belegt. Es ist im Reinbestand verhältnismäßig selten gegenüber Schlickgrasbeständen geworden und findet sich häufig inselartig zwischen Schlickgras. Solche Lebensräume wurden mit dem Nebencode "/KWQ" versehen. Der Lebensraumtyp kommt somit im Untersuchungsgebiet vor.

Schlickgrasbestände (Spartinion maritimae)

Schlickgras ist an der deutschen Küste sehr häufig. Im Bereich nördlich der Elbmündung konnte bis auf einen einzigen Horst Spartina x townsendii (außerhalb des Untersuchungsgebietes) nur der allopolyploide Bastard Spartina anglica gefunden werden (noch unveröffentlichte Information einer Diplomarbeit von MICHAELA KRIEGER am Institut für Angewandte Botanik der Universität Hamburg). Nach Meinung sowohl der "Definitionsvorschläge und Erweiterungen" (SSYMANK et al. 1994) wie des "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) sollten diese Lebensräume jedoch nicht aufgenommen werden. Die letztere Veröffentlichung führt als Pflanzenarten nur Spartina maritima, S. alterniflora und S. densiflora auf. Wir gehen daher davon aus, daß dieser Lebensraumtyp im Untersuchungsgebiet nicht vorkommt.

Atlantische Salzwiesen (Glauco-Puccinellietalia maritimae)

Das Auftreten von Salzwiesen im Untersuchungsgebiet ist durch die Biotoptypenkartierung gut belegt. Der Lebensraumtyp kommt im Untersuchungsgebiet oft sogar in guter Ausprägung vor.

Primärdünen

Primärdünen mit ihrer charakteristischen Vegetation wurden auf kleinen Sandverwehungen am gepflasterten Deichfuß bei Cuxhaven und rund um die Inseln Scharhörn und Nigehörn gefunden. Es konnte auch die unter den Pflanzen dieses Lebensraumtyps genannte Stranddistel neben Binsen-Quecke, Salzmiere und Strand-Platterbse nachgewiesen werden. Der Lebensraumtyp kommt somit im Untersuchungsgebiet vor.

Weißdünen mit Strandhafer Ammophila arenaria

Weißdünen sind in Untersuchungsgebiet eher selten und wurden zwischen Cuxhaven und Sahlenburg und auf den Inseln Scharhörn und Nigehörn gefunden. Sie gehen wohl überwiegend auf menschliche Aktivitäten zurück, haben sich aber naturnah entwickelt. Der Lebensraumtyp kommt somit im Untersuchungsgebiet vor.

*Festliegende Küstendünen mit krautiger Vegetation (Graudünen)

Dieser prioritäre Lebensraum konnte hauptsächlich auf Scharhörn gefunden werden. Er wurde dort als "ruderalisierte Küstendüne" kartiert. Das "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) führt an: "The vegetation may be a closed cover of grassland, sparse annual grassland on sand or dominated by mosses and lichen." Der erste Fall der dicht geschlossenen Grasdecke liegt auf Scharhörn vor. Auf Nigehörn wurden Ansaaten mit Gräsern vorgenommen, die in weiten Bereichen einer Moos- und Flechtenvegetation gewichen sind. Auch diese Vegetation zählt somit zu diesem prioritären Lebensraumtyp.

*Entkalkte Dünen mit Krähenbeere Empetrum nigrum

In den "Definitionsvorschlägen und Erweiterungen" (SSYMANK et al. 1994) werden in diesen Lebensraumtyp die Krähenbeer-Küstenheiden auf Geestböden (z. B. bei Cuxhaven) als letzte bedrohte Reste eingeschlossen. Dieser prioritäre Lebensraumtyp kommt somit im Untersuchungsgebiet vor.

*Festliegende entkalkte Dünen der atlantischen Zone (Calluno-Ulicetea)

Im "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) ist dieser Lebensraumtyp nur für Belgien, Frankreich, Großbritannien und die Iberische Halbinsel aufgeführt. Trotz der Vorkommen von Besenheide und Stechginster in den Geestkliffs bei Arensch kommt dieser Lebensraumtyp im Untersuchungsgebiet nicht vor.

Feuchte Dünentäler

Das einzige feuchte Dünental des Untersuchungsgebietes wurde in Sahlenburg beschrieben. Es handelt sich um ein ausgedehntes Schilfröhricht, in dem Salzzeiger wachsen. Es liegt zwischen der Geestkante und einer vorgelagerten Weißdüne. Der vorkommende Biotoptyp EU-Code 2195: Ried- und Röhrichtfragmente der Dünentäler zählt zu diesem Lebensraumtyp, so daß dieser im Untersuchungsgebiet vorkommt.

Flüsse mit Schlammbänken mit Vegetation des Chenopodion rubri p.p. und Bidention p.p.

Die Zuordnung zu diesem Lebenraumtyp ist schwierig zu beurteilen. Trockenfallende vegetationslose Schlammbänke, die sich im Herbst mit Zweizahnfluren bewachsen, gibt es nach der Biotoptypenkartierung nur auf einzelnen Flächen oberhalb des Hamburger Hafens. Es handelt sich um alle diejenigen Flächen des Typs NPR, die an Flußufern liegen.

Die möglicherweise noch in Frage kommenden vegetationslosen Flußwatten (Typ FWO) sind typische Tidelebensräume, die hier eigentlich nicht subsummiert werden können. Das im "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) aufgeführte Phänomen des herbstlichen Massenaufkommens von Zweizahn ist hier auch nicht zu verzeichnen, da die Tidedynamik das ganze Jahr über wirkt und die jahresperiodischen Hochwässer unterhalb Hamburgs einen geringeren ökologischen Stellenwert einnehmen. Oberhalb Hamburgs sieht es etwas anders aus, da dort die Hochwasserstände im Frühsommer eher höher auflaufen als die Tidewelle.

Die vegetationslosen oder röhrichtbestandenen Flußwatten unterhalb Hamburgs sollten daher dem Lebensraumtyp "Ästuarien" zugerechnet werden, während die beiden Flächen bei Wraust und Zollenspieker zusätzlich diesem Typ zugerechnet werden können. Dieser Lebensraumtyp kommt daher im Untersuchungsgebiet an zwei Stellen vor, die zusätzlich noch zum Lebensraumtyp Ästuarien zu rechnen sind.

Feuchte Hochstaudenfluren der planaren und montanen bis alpinen Stufe

Auch bei diesem Lebensraumtyp sind Unklarheiten in den Interpretationstexten zu finden. In den "Definitionsvorschlägen und Erweiterungen" (SSYMANK et al. 1994) werden in der Ebene nur uferbegleitende Hochstaudenfluren der Fließgewässer in diesen Biotoptyp eingeschlossen, großflächige Grünlandbrachen jedoch nicht. Im "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) ist unter den "corresponding categories of the German Biotoptypen" die nährstoffreiche Feucht- bzw. Naßgrünlandbrache der planaren bis submontanen Stufe genannt. In den Kommentaren wird eingeschränkt, daß großflächige brachgefallene Naßwiesen und Neophyten-Gesellschaften nicht eingeschlossen werden sollen. Daraus kann man folgern, daß kleinflächige Hochstaudenfluren auf Grünlandbrachen eingeschlossen sind.

Die genannte Artenkombination mit Fluß-Greiskraut und Erz-Engelwurz kommt im Untersuchungsgebiet häufig vor, so daß die Biotope des Typs NUT (Uferstaudenflur der Stromtäler) zu diesem Lebensraumtyp gerechnet werden können, der damit im Gebiet gut vertreten ist.

Brenndolden-Auenwiesen (Cnidion dubii)

Brenndolden-Auenwiesen bilden sich, wie auch im "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) aufgeführt, nur unter kontinentalen bis subkontinentalen Bedingungen. Sie können daher im Untersuchungsgebiet nur oberhalb des Hamburger Hafens auftreten. Der Biotoptyp GFB (Wechselfeuchte Brenndolden-Wiese) wurde nur im Mündungstrichter der Ilmenau hinter einem Sturmflutsperrwerk kartiert. Die Kartiererin verweist ausdrücklich darauf, daß das reichliche Vorkommen der Brenndolde keine Einordnung in die Gesellschaften des Cnidion dubii rechtfertigt, zumal keine weitere der typischen Charakterarten zu finden war. Sie ordnet die brenndoldenreichen Grünländer eher den Molinietalia (Pfeifengraswiesen) zu.

Die sowohl im "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) wie auch in den "Definitionsvorschlägen und Erweiterungen" (SSYMANK et al. 1994) aufgeführten, korrespondierenden deutschen Biotoptypen können nicht ernstlich in ihrer Gesamtheit eingeschlossen sein, da sie zum überwiegenden Teil aus brenndoldenfreien Gesellschaften gebildet werden. Da die Brenndolde jedoch bereits in der Überschrift des Biotoptyps genannt wird, wird davon ausgegangen, daß im Untersuchungsgebiet nur einzelne Flächen im Mündungstrichter der Ilmenau die Definition erfüllen.

Magere Flachland-Mähwiesen (Alopecurus pratensis, Sanguisorba officinalis)

Die bei diesem Lebensraumtyp genannten Pflanzenarten konnten nur ausnahmsweise im Außendeichsbereich der Elbe gefunden werden, da durch die fast jährlichen Überflutungen große Nährstoffmengen in die Grünländer auch dann eingetragen werden, wenn sie nicht genutzt werden. Sie fanden sich überwiegend hinter Sturmflutsperrwerken, so hoch über MThw, daß sie nicht mehr überflutet werden.

Es handelt sich in der Biotoptypenkartierung um die Typen GMF (Mesophiles Grünland mäßig feuchter Standorte) und GMZ (Sonstiges mesophiles Grünland), die auf dem Wischhafenersand, bei Brunsbüttel, an der Pinnau und vor allem auf alten, nicht mehr genutzten Deichen gefunden wurden. Der Biotoptyp GMM (Mesophiles Marschengrünland) ist deutlich nährstoffreicher und besitzt so gut wie keine der im "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) aufgeführten Pflanzenarten. Der Lebensraumtyp kommt im Untersuchungsgebiet weit verteilt vor, jedoch stets weit oberhalb der MThw-Linie bzw. hinter Sturmflutsperrwerken. (Wäre er nämlich überflutet, verlöre er seinen Charakter durch Nährstoffeintrag.)

*Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae)

Dieser prioritäre Lebensraumtyp kommt nach dem Wortlaut des "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) eigentlich nicht vor, da der Beschreibungstext lautet: " All types occur on heavy soils ... periodically inundated by the annual rise of the river ... level, but otherwise well-drained and aerated during low-water." Ein Tide-Auenwald ist gerade durch die tägliche Überflutung gekennzeichnet und trocknet zwischen den Überflutungen nicht so stark ab wie ein Auwald an nicht tidebeeinflußten Flüssen. Nach diesem Text wäre der Tide-Auwald nicht in der Definition eingeschlossen.

In Deutschland liegen jedoch andere Verhältnisse vor: Die korrespondierenden deutschen Biotoptypen sind der "Weichholzauenwald mit weitgehend ungestörter Überflutungsdynamik" und der "Weichholzauenwald ohne Überflutung". Eine ungestörte Überflutungsdynamik liegt bei den meisten kartierten Weichholzauenwäldern vor. Sie sind also in den Lebensraumtyp einzuschließen. Als Besonderheit müssen aber auch Weichholzauenwälder hinter Sturmflutsperrwerken, die einer natürlichen Überflutung entzogen sind, in den Lebensraumtyp einbezogen werden.

Weiden-Auenwälder konnten im gesamten Süßwasserabschnitt der Elbe verteilt nachgewiesen werden. Es handelt sich um die Biotoptypen WWT (Tide-Weiden-Auwald) und WWS (Sumpfiger Weiden-Auwald) sowie um 7 einzeln beschriebene Weichholzauwälder (WWT1 B WWT7) (vgl. UVS -Materialband VI).

Hartholzauenwälder mit Quercus robur, Ulmus laevis, Ulmus minor, Fraxinus excelsior oder Fraxinus angustifolia (Ulmenion minoris)

Da im "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) auch Wälder eingeschlossen sind, deren Boden feucht bleibt, ist dieser Lebensraumtyp eindeutig im Untersuchungsraum vertreten. Die korrespondierenden deutschen Biotoptypen sind der "Hartholzauenwald mit weitgehend ungestörter Überflutungsdynamik" und der "Hartholzauenwald ohne Überflutung".

Hartholzauenwälder wurden im Untersuchungsgebiet nur auf Krautsand, am Ufer der Flottbek, an der Elbe bei Falkenstein und an der Haseldorfer Binnenelbe gefunden. Die beiden ersteren sind durch ein Sturmflutsperrwerk bzw. eine Flutklappe von Überflutungen ausgeschlossen, zählen aber ebenfalls zu diesem Lebensraumtyp, der damit im Untersuchungsgebiet viermal vorkommt. Es handelt sich um die Biotoptypen WHA (Hartholz-Auwald im Überflutungsbereich) und WHB (Eichen-Mischwald in nicht mehr überfluteten Bereichen der Flußaue).

Nach der Diskussion der Definitionen und der Überprüfung des tatsächlichen Vorkommens im Untersuchungsgebiet bleiben von den eingangs erwähnten, im Anhang I aufgeführten "Natürlichen Lebensräumen von gemeinschaftlichem Interesse" und "prioritären Lebensräumen" folgende 16 zu einer weiteren Betrachtung übrig:

 

Code3 Lebensraumtyp4

1 Lebensräume in Küstenbereichen und halophytische Vegetation

1130 Ästuarien

1140 Vegetationsfreies Schlick-, Sand- und Mischwatt

1160 Flache große Meeresarme und -buchten (Flachwasserzonen und Seegraswiesen)

1310 Pioniervegetation mit Salicornia und anderen einjährigen Arten auf Schlamm und Sand (Quellerwatt)

1330 Atlantische Salzwiesen (Glauco-Puccinellietalia maritimae)

2 Dünen an Meeresküsten und im Binnenland

2110 Primärdünen

2120 Weißdünen mit Strandhafer Ammophila arenaria

2130 * Festliegende Küstendünen mit krautiger Vegetation (Graudünen)

2140 *Entkalkte Dünen mit Krähenbeere Empetrum nigrum

2190 Feuchte Dünentäler

3 Süßwasserlebensräume

3270 Flüsse mit Schlammbänken mit Vegetation des Chenopodion rubri p.p. und Bidention p.p.

6 Natürliches und naturnahes Grasland

6430 Feuchte Hochstaudenfluren der planaren und montanen bis alpinen Stufe

6440 Brenndolden-Auenwiesen (Cnidion dubii)

6510 Magere Flachland-Mähwiesen (Alopecurus pratensis, Sanguisorba officinalis)

9 Wälder

91E0 *Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae)

91F0 Hartholzauenwälder mit Quercus robur, Ulmus laevis, Ulmus minor, Fraxinus excelsior oder Fraxinus angustifolia (Ulmenion minoris)

6.1.2 Diskussion der Betroffenheit der vorkommenden Lebensraumtypen

Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die vorkommenden Lebensräume von der geplanten Maßnahme der Fahrrinnenvertiefung betroffen sind. Die Maßnahme selbst wurde bereits im vorausgehenden Text geschildert. Die für die Lebensraumtypen und die Vegetation wichtigste Folge ist die Erhöhung der MThw-Linie und der damit verbundene Lebensraum- und Bodenverlust zwischen vorderer Vegetationskante und Deichkrone.

Wie in der UVU zur Fahrrinnenanpassung der Elbe geschildert, ist es außerordentlich schwierig, eine Erheblichkeitsschwelle der Wirkungen der Maßnahme zu definieren. Wie dort ausführlich hergeleitet wurde, gibt es gewisse Mindest-Höhendifferenzen, innerhalb derer gleichförmige Pflanzengesellschaften vorkommen. In der Literatur sind Höhenzonierungen im Bereich von minimal 35 cm angegeben (z. B. für den Andelrasen). MANG (1984) fand im NSG Heuckenlock Krautpflanzenzonierungen innerhalb des von den Gehölzen her gleichmäßigen Auwaldes von ebenfalls 30-40 cm5.

Die Erheblichkeitsschwelle wurde in der UVU mit 3% der gesamten Höhenamplitude der in der Literatur aufgeführten kleinsten Bandbreite von Pflanzengesellschaften angenommen. Dies entspricht einer Erhöhung der MThw-Linie um 1 cm. Der von MANG angegebene Wert von 10 cm wurde nicht berücksichtigt, da die entsprechende Pflanzenzone mit Anstieg der MThw-Linie frei innerhalb des ansonsten gleichförmigen Auwaldes wandern kann und keinerlei Verlust für diese Zone zu befürchten ist.

Da im Bereich der reinen Salzwasserbiotope Erhöhungen der MThw-Linie von 0-0,5 cm prognostiziert wurden, kann man davon ausgehen, daß auch vor dem Hintergrund einer natürlichen jährlichen Varianz des Tidehochwassers von über 20 cm an der Nordseeküste kein Einfluß der Maßnahme auftreten wird. Somit fallen fast alle Lebensräume der Küstendünen und der halophytischen Vegetation aus der weiteren Betrachtung heraus. Einzig die Ästuare mit ihren Süßwasser- und Brackwasserwatten verbleiben in der Liste der weiterhin zu betrachtenden Lebensraumtypen.

Bei folgenden Lebensraumtypen ist die Betroffenheit weiter zu klären:

  • Ästuarien
  • Flüsse mit Schlammbänken mit Vegetation des Chenopodium rubri p.p. und Bidention p.p.
  • Feuchte Hochstaudenfluren der planaren und montanen bis alpinen Stufe
  • Brenndolden-Auenwiesen (Cnidion dubii)
  • Magere Flachland-Mähwiesen (Alopecurus pratensis, Sanguisorba officinalis)
  • *Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae)
  • Hartholzauenwälder mit Quercus robur, Ulmus laevis, Ulmus minor, Fraxinus excelsior oder Fraxinus angustifolia (Ulmenion minoris)

Ästuarien

Nachdem der Lebensraumtyp der Ästuarien im Untersuchungsgebiet eindeutig vertreten ist, ist seine Ausdehnung zu klären. Die seeseitige Grenze liegt im Übergangsbereich von Brackwasser zu Salzwasser, also im von der Maßnahme nicht mehr beeinträchtigten Bereich. Als seeseitige Grenze des Lebensraumtyps kann also die Linie gelten, an der die Erhöhung der MThw-Linie die Erheblichkeitsschwelle überschreitet. Es handelt sich dabei um die Linie Scheelenkuhlen B Schöneworth-Außendeich. Stromauf wird der Lebensraumtyp begrenzt durch das Wehr bei Geesthacht.

Im "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) werden Ästuare zwar als "subject to the tide and extending from the limit of brackish waters" definiert, so daß der Süßwasserbereich nicht mehr unter diesen Lebensraumtyp fiele. Eine nähere Nachfrage beim Bundesamt für Naturschutz hat jedoch ergeben, daß sich vor allem England geweigert hat, die Süßwasserwatten mit aufzunehmen, so daß diese aus der Definition herausgenommen wurden. Für Deutschland werden jedoch folgende korrespondierende Biotoptypen genannt: "Ästuare (Fließgewässermündungen mit Brackwassereinfluß u./od. Tidenhub), eingeschlossen werden: Brackwasserwatt der Ästuare an der Nordsee und Süßwasserwatt im Tideeinfluß der Nordsee". Nach dieser von uns zu übernehmenden Definition erstreckt sich der Lebensraumtyp stromauf bis an die Staustufe bei Geesthacht.

Die Quererstreckung ist kaum eindeutig festzulegen. Als Kommentar wird im "Interpretation manual of european union habitats" (EUROPEAN COMMISSION DG XI 1996) angegeben: "An estuary forms an ecological unit with the surrounding terrestrial coastal habitat types. In terms of nature conservation, these different habitat types should not be separated, and this reality must be taken into account during the selection of sites." (Ein Ästuar bildet eine ökologische Einheit mit den umgebenden terrestrischen Küsten-Habitattypen. Im Hinblick auf den Naturschutz sollten diese verschiedenen Habitattypen nicht getrennt werden, und dieser Zusammenhang sollte bei der Auswahl der Orte in Betracht gezogen werden.)

Über das Ausmaß der einzuberechnenden Biotope am Ufer ist somit nichts festgelegt. Mit Sicherheit beginnt der Lebensraumtyp im Wasser und reicht über die Brack- und Süßwasserwatten bis zu den Brackwasserwatt- oder Flußwattröhrichten beider Ufer. Es wird im Rahmen dieser Studie für notwendig erachtet, auch den unmittelbar angrenzenden Uferbereich einzubeziehen, wenn dort Röhricht oder Uferstaudenfluren der Biotoptypen NR (Landröhrichte), NP (Pioniervegetation wechselnasser Standorte/vegetationsarme Uferbereiche) oder NU (Uferstaudenfluren) vorkommen. Ebenso sollten Auengehölze der Biotoptypen WW (Weiden-Auwald/Weichholzaue), WH (Hartholzauwald) und BA (Weidengebüsch der Auen und Ufer) einbezogen werden.

Eine Einbeziehung der anschließenden Grünländer, soweit sie nicht zu den Lebensraumtypen 6440 und 6510 gehören, ist wegen des ökologisch geringeren Wertes nicht notwendig, zumal sich diese Lebensräume durch eine geringfügige Vernässung eher verbessern als verschlechtern. Da sich die Erhöhung der MThw-Linie durch die Maßnahme bei höheren Wasserständen weniger bemerkbar macht, d. h. bei Sturmfluten der Effekt etwa ab 2 m über der MThw-Linie unter die Erheblichkeitsschwelle sinkt, brauchen höhergelegene Lebensraumtypen im Rahmen dieser Betrachtung nicht berücksichtigt zu werden.

Zusammenfassend kann man feststellen, daß für die Betrachtung der Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung zwischen der Linie Scheelenkuhlen B Schöneworth-Außendeich und der Staustufe Geesthacht alle Brack- und Süßwasserwatten mit und ohne Röhricht, sowie alle Landröhrichte, Pioniervegetationen, Uferstaudenfluren, Weiden-Auwälder, Hartholzauwälder und Weidengebüsche in Ufernähe in den Lebensraumtyp der Ästuarien einzubeziehen sind.

Flüsse mit Schlammbänken mit Vegetation des Chenopodion rubri p.p. und Bidention p.p.

Die beiden Flächen oberhalb Hamburgs bei Wraust und Zollenspieker sind zwar in die weiteren Betrachtungen mit einzubeziehen, gehören aber ebenfalls zum Lebensraumtyp der Ästuarien (zu Biotoptyp NP). Da sie dort bereits berücksichtigt werden, wird auf eine weitere gesonderte Betrachtung verzichtet.

Feuchte Hochstaudenfluren der planaren und montanen bis alpinen Stufe

Die feuchten Hochstaudenfluren der Ufer mit Erz-Engelwurz und selten auch mit Fluß-Greiskraut sind im Untersuchungsgebiet als Biotoptyp NUT (Uferstaudenflur der Stromtäler) kartiert worden. Als seeseitige Grenze des Lebensraumtyps kann die Linie gelten, an der die Erhöhung der MThw-Linie die Erheblichkeitsschwelle überschreitet. Es handelt sich dabei um die Linie Scheelenkuhlen B Schöneworth-Außendeich. Als östliche Grenze wirkt das Wehr bei Geesthacht.

Da auch kleinflächige Hochstaudenfluren, die nicht unmittelbar am Ufer liegen, im Außendeichsbereich als Typ NUT kartiert wurden, kann man innerhalb dieser Grenzen alle Biotope dieses Typs als zu diesem Lebensraumtyp zählend einstufen. Im Bereich der Ufer gehört dieser Lebensraumtyp jedoch eindeutig ebenfalls zum Lebensraumtyp der Ästuarien.

Brenndolden-Auenwiesen (Cnidion dubii)

Die Brenndolden-Auenwiesen des Untersuchungsgebietes im Mündungstrichter der Ilmenau liegen allesamt hinter einem Sturmflut-Sperrwerk, höher als die Schließschwelle des Sperrwerks, so daß ein Einfluß der Maßnahme durch Erhöhung der MThw-Linie ausgeschlossen werden kann. Dieser Lebensraumtyp wird daher nicht weiter betrachtet.

Magere Flachland-Mähwiesen (Alopecurus pratensis, Sanguisorba officinalis)

Die mageren Flachlandmähwiesen des Untersuchungsgebietes auf dem Wischhafenersand, an der Pinnau und auf alten, nicht mehr genutzten Deichen liegen alle hinter einem Sturmflut-Sperrwerk, höher als die Schließschwelle des Sperrwerks, so daß ein Einfluß der Maßnahme durch Erhöhung der MThw-Linie ausgeschlossen werden kann. Bei Brunsbüttel befindet sich die Wiese auf einer Aufschüttung so hoch oberhalb der MThw-Linie, daß der Einfluß der Maßnahme dort unterhalb der Erheblichkeitsschwelle liegt. Dieser Lebensraumtyp wird daher nicht weiter betrachtet.

*Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae)

Dieser einzige noch verbleibende prioritäre Lebensraumtyp kommt als Biotoptyp WWT (Tide-Weiden-Auwald), WWS (Sumpfiger Weiden-Auwald) und in Form von 7 einzeln beschriebenen Weichholzauwäldern (WWT1 - WWT7) im Untersuchungsgebiet vor (vgl. MATERIALBAND VI Anhang 1). Als seeseitige Grenze des Lebensraumtyps kann die Linie gelten, an der die Erhöhung der MThw-Linie die Erheblichkeitsschwelle überschreitet. Es handelt sich dabei um die Linie Scheelenkuhlen - Schöneworth-Außendeich. Als östliche Grenze wirkt das Wehr bei Geesthacht.

Die am Ufer liegenden Weichholzauenwälder sind gleichzeitig Bestandteil des Lebensraumtyps "Ästuare". Als Besonderheit müssen aber auch Weichholzauenwälder hinter Sturmflutsperrwerken, die einer natürlichen Überflutung entzogen sind, in den Lebensraumtyp einbezogen werden. Während die hier nicht eingeschlossenen Weichholzauengebüsche noch verhältnismäßig häufig sind, sind Weichholzauwälder jedoch besonders an den Nebenflüssen selten (vgl. Karte 4 im Anhang).

Hartholzauenwälder mit Quercus robur, Ulmus laevis, Ulmus minor, Fraxinus excelsior oder Fraxinus angustifolia (Ulmenion minoris)

Die beiden Hartholzauwälder auf Krautsand und am Ufer der Flottbek sind durch ein Sturmflutsperrwerk bzw. eine Flutklappe von Überflutungen von der Elbe her ausgeschlossen, so daß ein Einfluß der Maßnahme durch Erhöhung der MThw-Linie ausgeschlossen werden kann. Der Hartholzauwald bei Bishorst am Ufer der Haseldorfer Binnenelbe und am Falkensteiner Ufer befindet sich jedoch im Einflußbereich der Maßnahme.

Die oben genannten Lebensraumtypen umfassen teils einen und teils mehrere Biotoptypen. Zusammenfassend müssen folgende Biotoptypen im Untersuchungsgebiet zwischen der Linie Scheelenkuhlen B Schöneworth-Außendeich und dem Wehr bei Geesthacht bearbeitet werden:

WHA Hartholz-Auwald im Überflutungsbereich

WWS Sumpfiger Weiden-Auwald

WWT Tide-Weiden-Auwald

BAT Typisches Weiden-Auengebüsch

BAS Sumpfiges Weiden-Auengebüsch

KBO Brackwasserwatt ohne Vegetation höherer Pflanzen

KBR Röhricht des Brackwasserwatts

FWO Flußwatt ohne Vegetation höherer Pflanzen

FWR Flußwatt-Röhricht

KPB Brackwasser-Marschpriel

KPS Süßwasser-Marschpriel

KSN Naturnaher Strand

KRP Schilf-Röhricht der Brackmarsch

NRS Schilf-Landröhricht

NRG Rohrglanzgras-Landröhricht

NRW Wasserschwaden-Landröhricht

NRR Rohrkolben-Landröhricht

NPR Pioniervegetationen (wechsel-)nasser nährstoffreicher Standorte

NUT Uferstaudenflur der Stromtäler

Die Biotoptypen KHF (Salzwiese der Ästuare) und KRS (Strandsimsen-Röhricht der Brackmarsch) kommen östlich der Linie Scheelenkuhlen B Schöneworth-Außendeich nicht mehr vor.

6.1.3 Auswirkungen auf Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse unter besonderer Beachtung der prioritären Lebensräume

Im folgenden wird die quantitative oder qualitative Betroffenheit der oben herausgearbeiteten Biotoptypen dargestellt.

WHA Hartholz-Auwald im Überflutungsbereich

Der Hartholz-Auwald am Ufer der Haseldorfer Binnenelbe steht auf einer Sandbank und wird mehrmals im Jahr überflutet. Er befindet sich zwar eher auf der Höhe eines Weichholzauwaldes, besitzt aber Bäume der Hartholzaue, die sich vermutlich deswegen halten können, weil der Wellenanlauf hinter der vorgelagerten Insel Bishorster Sand geringer ist und somit die Biegsamkeit der Zweige kein Ausschlußkriterium für Gehölze darstellt. Außerdem wird durch das sandige Substrat die Ansammlung von Stauwasser im Wurzelbereich verhindert.

Der Hartholzauwald am Falkensteiner Ufer in Hamburg befindet sich am Fuß eines Steilufers und ist durch Linden, Erlen, Eschen und Pappeln gekennzeichnet. Er liegt recht hoch zwischen einem naturnahen Strand und einem Buchenwald am Urstromtalhang.

Es ist zu diskutieren, welche ökologischen Faktoren auf Hartholzauen an einem Tidefluß überhaupt wirken. Gegenüber einer Hartholzaue an einem "normalen" Binnenlandfluß, die bei hohen Abflußereignissen mehrere Tage unter Wasser steht, dauern hier die Überflutungen bei einem Tidehub von ca. 3 m stets nur wenige Stunden bis zur nächsten Ebbe. Bei dem stark sandigen Untergrund erscheint es zumindest überprüfungswürdig, ob hier überhaupt von einer normalen Hartholzaue gesprochen werden kann.

Da beide Auwälder auf einer wenn auch geringen Erhöhung stehen, wird hier die Zunahme der Flutereignisse geringer ausfallen als an der MThw-Linie. Bereits bei 2 m Höhe über der MThw-Linie beträgt der Einfluß der Maßnahme nur noch ca. 50%, so daß nur eine sehr geringe Zunahme der Zahl und Höhe der Flutereignisse eintreten wird. Eine quantitative Änderung der Fläche, wie bei den Pflanzengesellschaften nahe der MThw-Linie, ist nicht zu erwarten, da der Hartholz-Auwald durch topographische Gegebenheiten begrenzt wird und sich nicht entlang eines natürlichen Gradienten aufgebaut hat.

Durch den Einfluß der Maßnahme ist allenfalls eine qualitative Einbuße in Betracht zu ziehen. Wie in der Beschreibung des Auwalds Bishorst ausgeführt wird, unterscheidet sich die Krautschicht bereits jetzt nicht von der eines Weichholzauwaldes. Bei einer theoretisch höheren Zahl von Überflutungen an der MThw-Linie ist also keine Veränderung in Richtung auf eine tieferliegende Vegetationseinheit zu erwarten. Die häufig vorkommenden Weiden und Eschen und die seltenen Ulmen können jedoch an anderen Stellen der Elbe häufigere Überflutungen ertragen. Bei den Eichen besteht ein Risiko, daß sich diese aufgrund häufigerer Überflutungen an der MThw-Linie nicht mehr am Standort halten können. Durch eine geringfügige Erhöhung der MThw-Linie um bis zu 2 cm wird sich jedoch kein zusätzlicher Ausfall von Bäumen ergeben.

Der Hartholzauwald am Falkensteiner Ufer steht noch höher an einer Stelle, wo der Einfluß der Maßnahme unterhalb der Erheblichkeitsschwelle von 1 cm Erhöhung der MThw-Linie liegt. Für diesen Biotoptyp ist folglich keine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten.

WWS Sumpfiger Weiden-Auwald

Sumpfiger Weiden-Auwald wurde nur auf Pagensand im tiefliegenden Bereich und auf dem Spülfeld sowie im Bereich der Nebenflüsse kartiert (vgl. Karte 4). Der fast waagerechte Untergrund des Waldes erlaubt aufgrund seines höheren Feinkornanteils kein rasches Abtrocknen des Wurzelraumes, so daß Erlen gefunden wurden, die eher Staunässe vertragen als die sonst für Auwälder typischen Weiden. Eine in diesem Elbabschnitt um 1B2 cm höhere bzw. geringfügig häufigere Überflutung schadet dem Biotoptyp im unaufgespülten Bereich nicht, sondern fördert ihn eher. Es ist weder eine qualitative noch eine quantitative Einbuße zu befürchten. Ein weiterer Biotop dieses Typs auf dem Spülfeld ist aufgrund seiner hohen Lage ohnehin nicht von der Maßnahme betroffen. Für diesen Biotoptyp ist daher keine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten.

Dieser Biotoptyp wurde in MATERIALBAND VI und der UVS als von der MThw-Erhöhung betroffener Biotoptyp dargestellt, für den erhebliche Beeinträchtigungen in Form von Biotop-

flächenverlusten prognostiziert wurden. Die im Rahmen dieser Studie durchgeführte detailliertere Betrachtung ergab demgegenüber (s.o.) keine Beeinträchtigung. Damit vermindern sich die prognostizierten Biotopflächenverluste um ca. 0,3 ha.

WWT Tide-Weiden-Auwald

Der Biotoptyp des Tide-Weidenauwalds ist im Untersuchungsgebiet im Verhältnis zu den Weidengebüschen verhältnismäßig selten (vgl. Karte 4). Eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Typen ist nur durch die Höhe der Bäume bzw. deren Verzweigungsmodus gegeben. Die besonders wertvollen Varianten mit Schwarzpappel finden sich nur auf dem Stover Werder oberhalb Hamburgs. Der am weitesten westlich gelegene Auwald ist das Bielenberger Wäldchen südlich des Spülfelds Glückstadt-Süd. Weitere Auwälder finden sich am Elbufer bei Krautsand, an der Haseldorfer Binnenelbe, am Sporthafen Wedel, sehr schmal ausgebildet auf dem Allwördener Außendeich, in recht schlechtem Zustand am Fähranleger bei Wischhafen, sowie am Binnensee auf Hanskalbsand, verschiedentlich im Hamburger Hafen, in West-Krauel und gegenüber Zollenspieker. Sehr interessant sind vor allem die Auwälder in Bielenberg, auf Pagensand, im Heuckenlock und auf dem Stover Werder.

Als prioritärer Lebensraum der FFH-Richtlinie verdient dieser Biotoptyp besondere Betrachtung. Da der Auwald in der Regel in "Hanglage" steht, d.h. von der MThw-Linie aus 1B2 Höhenmeter hinaufzieht und sich die Maßnahme in größerer Höhe weniger stark auswirkt als in der Nähe der MThw-Linie, ist zu erwarten, daß es zu einer Stauchung des Biotoptyps kommt. Während die Bäume jedoch keine nachweisbare Differenzierung in eine Höhenzonierung erkennen lassen, gibt es nach Untersuchungen von MANG in der Krautschicht im Heuckenlock mehrere Vegetationsbänder in unterschiedlichen Höhen, die sich durch den Einfluß der Maßnahme verändern werden. Während sich jedoch die unteren Bänder nur nach oben verschieben, wird das oberste Band, das an den Deich anschließt, an Fläche verlieren (vgl. Kap. 7)6.

BAS Sumpfiges Weiden-Auengebüsch

Das sumpfige Weiden-Auengebüsch stellt einen Übergang zwischen Auengebüsch und Sumpfgebüsch dar und besitzt sowohl Weidenarten der Auen wie der Sümpfe. Im Außendeichsbereich treten solche Lebensräume nur in Senken auf, in denen das Wasser nach Fluten länger stehen bleibt oder auf Austrittsstellen von Hangdruckwasser. In beiden Fällen ist Staunässe, die in den normalerweise gut drainierten und geneigten Böden der typischen Auengebüsche nicht auftritt, ein Charakteristikum des Biotoptyps.

Ebenso wie beim sumpfigen Weiden-Auwald fördert eine geringfügige Erhöhung der MThw-Linie um 3-4 cm diesen Biotoptyp eher als ihn zu beeinträchtigen. Diese Flächen sind deswegen sumpfig, weil meist eine Abflußschwelle (oder eine Quelle) vorhanden ist, bis zu der das Wasser nach Sturmfluten abläuft. Selbst wenn die Sturmfluten höher auflaufen, bleibt das Wasser nicht länger stehen, da sich die Abflußschwelle durch die Maßnahme nicht verändert. Für diesen Biotoptyp ist folglich keine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten.

Dieser Biotoptyp wurde in MATERIALBAND VI und der UVS als von der MThw-Erhöhung betroffener Biotoptyp beschrieben, für den erhebliche Beeinträchtigungen in Form von Biotopflächenverlusten prognostiziert wurden. Die im Rahmen dieser Studie durchgeführte detaillierte Betrachtung ergab demgegenüber (s.o.) keine Beeinträchtigung. Damit vermindert sich der zu erwartende Biotopflächenverlust gegenüber der Prognose in der UVS um ca. 0,1 ha.

BAT Typisches Weiden-Auengebüsch

Das typische Weiden-Auengebüsch ist im Untersuchungsgebiet noch recht häufig und findet sich vorwiegend weit unten am Flußufer, aber auch weiter landeinwärts auf größeren Höhen. Wie auch der Tide-Weiden-Auwald ist das Auengebüsch von einer Erhöhung der MThw-Linie dadurch betroffen, daß sich bei Sturmfluten der Effekt der Fahrrinnenanpassung weniger bemerkbar macht. Außerdem ist auch eine Verschiebung landeinwärts zu erwarten, wenn der wasserseitige Rand des Gebüsches durch häufigere Überflutung nach oben gedrängt wird und der obere Rand des Gebüsches nach oben ausweichen kann. Ist ein Ausweichen des oberen Randes durch topographische Grenzen (Wege, Gräben, Priele usw.) oder Nutzungsgrenzen nicht möglich, so ergibt sich ein quantitativer Verlust.

Als ein weiterer Einfluß der Maßnahme ist die Verbreiterung der Brackwasserzone und damit die Beeinträchtigung von Weidengebüschen zu beachten, die bisher im Grenzbereich Süßwasser-/Brackwasser bei Scheelenkuhlen sowie auf dem Brammer Sand wachsen. Die Weiden sind recht empfindlich gegenüber einer Erhöhung des Salzgehaltes und sterben bereits derzeit im Bereich Wischhafen an manchen Stellen ab. Hier ist der Verlust in einem Bereich von ca. 500 m an den Grenzen der am weitesten nach Westen vorgeschobenen Weiden-Auengebüsche auf dem Nord- wie auf dem Südufer zu bilanzieren (s.u.).

Dieser Biotoptyp wurde in MATERIALBAND VI und der UVS als von der MThw-Erhöhung betroffener Biotoptyp beschrieben. Für die Biotoptypen BAT (Typisches Weiden-Auengebüsch) und BAS (Sumpfiges Weiden-Auengebüsch) wurden zusammen Biotopflächenverluste von ca. 21,6 ha prognostiziert, wovon allein die prognostizierten Verluste für BAT ca. 21,5 ha betragen. In der UVU wurde die Gefährdung von Gehölzen durch zunehmenden Salzeinfluß als Beeinträchtigungsrisiko eingestuft, für das keine Biotopflächenverluste bilanziert wurden. Im Rahmen der hier vorgenommenen Betrachtung wurde diese Auswirkung des geplanten Vorhabens noch einmal geprüft. Auf Grundlage der oben dargestellten Überlegungen wurde für den Biotoptyp BAT zusätzlich eine Fläche von ca. 1,5 ha als erheblich und nachhaltig beeinträchtigt eingestuft.

KBO Brackwasserwatt ohne Vegetation höherer Pflanzen und

FWO Flußwatt ohne Vegetation höherer Pflanzen

Durch die Maßnahme der Fahrrinnenanpassung vergrößert sich die Tidenamplitude und damit einhergehend auch die Wattfläche. Eine Beeinträchtigung des vegetationslosen Flußwatts durch die Maßnahme ergibt sich nicht. Für diese Biotoptypen ist folglich keine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten. Die Auswirkungen auf den Lebensraumtyp Ästuare wird im folgenden Kapitel bei den Watt-Röhrichten besprochen.

KBR Röhricht des Brackwasserwatts und FWR Flußwatt-Röhricht

Das Röhricht des Brackwasserwatts und das Flußwatt-Röhricht orientieren sich in ihrer Anordnung im ökologischen Gradienten der Überflutungsdauer und -häufigkeit an der MThw-Linie. Ein Emporwandern dieser Linie durch die Maßnahme zieht zwangsläufig auch die wasserseitige Röhrichtgrenze nach oben in Richtung Deich. Wenn das Röhricht frei nach oben ausweichen kann, so verschiebt es sich einfach ohne qualitative oder quantitative Verluste. Wenn es jedoch landseitig von einer topographischen oder Nutzungsgrenze fixiert wird, so ist mit quantitativen Verlusten zu rechnen.

Da die Brackwasserzone durch die Maßnahme in beide Richtungen breiter wird, kann sich das Brackwasserwatt-Röhricht in Längserstreckung vergrößern, während das Flußwatt-Röhricht um den Verschiebungsbereich von etwa 500 m vermindert wird. Da das Brackwasserwatt-Röhricht in einem Elbabschnitt liegt, in dem die Erhöhung der MThw-Linie nur maximal 2 cm beträgt, ergibt sich ein quantitativer Verlust durch Verschmälerung. Der Verlust in Quererstreckung dürfte daher durch den Flächengewinn der Umwandlung kompensiert werden. Die Umwandlung von Schlickgras- und Süßwasser-Röhrichten in Brackwasserröhrichte geht schnell vonstatten, da die Hauptbestandsbildner sich nicht ändern, nur die Begleiter im Inneren und am Rand der Bestände. Für diesen Biotoptyp ist folglich keine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten.

Das Flußwatt-Röhricht ist in Querrichtung zum Fluß erheblich stärker betroffen, da die Erhöhung der MThw-Linie durch die Maßnahme in diesen Süßwasser-Elbabschnitten 2 bis fast 4 Zentimeter beträgt. Der Flächenverlust ist zu bilanzieren, wenn ein Ausweichen des oberen Randes durch topographische Grenzen (Wege, Gräben, Priele usw.) oder Nutzungsgrenzen nicht möglich ist. Schließt sich ein Landröhricht an, so verschiebt sich jenes. Die Umwandlung von Flußwatt- in Brackwasserwatt-Röhricht auf einer Strecke von ca. 500 m an der jetzigen Grenze Brackwasser/Süßwasser bei Wischhafen wird als nicht erheblich eingestuft. Das Röhricht wandelt sich hier fast unmerklich in ein Brackwasserwattröhricht um, das für den Naturhaushalt ebenso wertvoll wie ein Flußwatt-Röhricht ist.

Betrachtet man das Watt mit und ohne Röhricht, so ergibt sich für den übergeordneten Lebensraumtyp Ästuare kein flächenmäßiger Verlust. Der Lebensraumtyp ist aus mehreren Biotoptypen zusammengesetzt. Dazu gehört nach Definition sowohl das vegetationslose wie das röhrichtbestandene Watt. Durch die Vergrößerung der Wattfläche infolge der Niedrigwasserabsenkung bzw. die Erhöhung der MThw-Linie könnte man sogar eine Zunahme des Lebensraumtyps postulieren. Dies erscheint aber wenig abgesichert, da man auch die geringer werdenden Flachwasserzonen sowie die Flächen bis zum Deich zum Lebensraumtyp Ästuare rechnen könnte. Insgesamt betrachtet ergibt sich durch die anteilige Verschiebung der Biotoptypen eine qualitative Veränderung des Lebensraumtyps "Ästuarien".

Der Biotoptyp FWR wurde in MATERIALBAND VI und der UVS als von der MThw-Erhöhung betroffen beschrieben, für den Biotopflächenverluste von 27,4 ha prognostiziert wurden. Hierbei wurde jeweils die gesamte Biotopfläche in die Eingriffsermittlung einbezogen ohne im Einzelfall zu prüfen, ob am oberen Rand ein Landröhricht oder ein Weg angrenzt. Die prognostizierten Biotopflächenverluste stellen somit im Sinne einer worst-case-Prognose das Maximum des zu erwartenden Eingriffsumfangs dar.

KPB Brackwasser-Marschpriel und KPS Süßwasser-Marschpriel

Da im Biotoptyp der Priele sowohl die vegetationslosen unteren Bereiche wie die röhricht-tragenden oberen Abschnitte enthalten sind, ergibt sich nur innerhalb der Vegetationszonen der Priele eine Verschiebung, jedoch kein quantitativer Verlust des Biotoptyps. Ein qualitativer Verlust ist ebenfalls nicht zu befürchten, da vegetationsloses Flußwatt und Flußwatt-Röhricht etwa den gleichen Wert für den Naturhaushalt besitzen. Für diese Biotoptypen ist folglich keine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten.

KSN Naturnaher Strand

Naturnahe Strände gibt es vor allem auf den Inseln Pagensand und Bishorster Sand und am Ufer des Köhlbrands, also an Stellen, an denen kein Badebetrieb herrscht. Ausgedehnte schmale Streifen von Strand finden sich vielfach am Ufer der Elbe zwischen Flußwatt-Röhricht und Weiden-Auengebüsch oder oberhalb des vegetationslosen Watts. Charakteristisch ist vor allem die Wibel-Schmiele, ein an der Elbe noch recht häufiger Endemit.

Der Einfluß der Maßnahme ist verschwindend gering, da Flächenverluste eher im oben anschließenden Biotoptyp, z. B. Landröhricht oder Weiden-Auengebüsch stattfinden werden. Dies ist darin begründet, daß sich Verschiebungen der MThw-Linie durch den hier mit Sicherheit sandigen Untergrund schnell fortpflanzen und der oberhalb des Strandes liegende Biotoptyp im gleichen Maße nach oben geschoben wird wie der Strand an seinem unteren Ende. Für diesen Biotoptyp ist folglich keine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten.

KRP Schilf-Röhricht der Brackmarsch

Durch die Ausweitung der Brackwasserzone breitet sich das Schilfröhricht der Brackmarsch sowohl in Richtung Nordsee wie stromaufwärts aus. Bei einer Verbreiterung der Brackwasserzone von etwa 500 m ist der Gewinn in Längsrichtung zum Fluß größer als der Verlust in Querrichtung, zumal der Einfluß der Maßnahme im Vorkommensbereich dieses Biotoptyps nur maximal 2 cm beträgt. Für diesen Biotoptyp ist folglich keine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten.

NRS Schilf-Landröhricht, NRG Rohrglanzgras-Landröhricht, NRW Wasserschwaden-Landröhricht, NRR Rohrkolben-Landröhricht, NRZ Sonstiges Landröhricht, NUT Uferstaudenflur der Stromtäler

Die 5 Typen der Süßwasser-Landröhrichte im Untersuchungsgebiet sowie die Uferstaudenflur der Stromtäler liegen definitionsgemäß oberhalb der MThw-Linie. Eine Verschiebung dieser Linie bedeutet unmittelbar eine Verschiebung der unteren Grenze dieser Biotoptypen, sofern sie an dieser Linie liegen. In der Regel ist ein Ausweichen nach oben nicht möglich, da meist intensiv genutzte Grünländer anschließen.

Bei einer Entfernung von mehr als 5 m von Tidegewässern (Flußufer, Nebenflußufer, Priele und Gräben mit Tideeinfluß) und bei einer Höhe von wenigstens 3 dm über der MThw-Linie (oberhalb normaler Springfluten) ist jedoch keine Beeinträchtigung aufgrund der Maßnahme zu befürchten, da häufigere Überflutungen bei Sturmfluten eher günstiger für die Röhrichte sind. Alle kartierten sonstigen Röhrichte (Biotoptyp NRZ) liegen mehr als 3 dm über der MThw-Linie und sind damit von der Maßnahme nicht betroffen. Im Bereich der übrigen Röhrichte und Uferstaudenfluren ist ein Flächenverlust ufernaher Flächen durch die Maßnahme anzunehmen.

Die Biotoptypen NRS, NRG, NRW, NRR und NUT wurden in MATERIALBAND VI und der UVS als von der Thw-Erhöhung betroffene Biotoptypen beschrieben. Für diese Biotoptypen werden zusammen Biotopflächenverluste von ca. 38,6 ha prognostiziert.

NPR Pioniervegetationen (wechsel-)nasser nährstoffreicher Standorte

Die nur an zwei Stellen oberhalb Hamburgs auftretende Pioniervegetation wechselnasser nährstoffreicher Standorte ist von einer Erhöhung der MThw-Linie nicht betroffen, da sie sich dort im oberen Bereich der Wattflächen angesiedelt hat. Für das Watt ist eine Flächenvergrößerung vorhergesagt worden. Für diesen Biotoptyp ist folglich keine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten.

Zusamenfassend betrachtet ergibt sich, bezogen auf die Maßnahmen der Fahrrinnenanpassung der Elbe, eine erhebliche und auch nachhaltige Beeinträchtigung folgender kartierter Biotoptypen:

WWT Tide-Weiden-Auwald

BAT Typisches Weiden-Auengebüsch

FWR Flußwatt-Röhricht

NRS Schilf-Landröhricht

NRG Rohrglanzgras-Landröhricht

NRW Wasserschwaden-Landröhricht

NRR Rohrkolben-Landröhricht

NUT Uferstaudenflur der Stromtäler

Sie sind Bestandteil folgender Lebensraumtypen:

1130 Ästuarien (alle Biotoptypen)

91E0 *Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior (Biotoptyp WWT)

* prioritärer Lebensraum

Dabei besteht in allen Fällen eine quantitative Beeinträchtigung und keine qualitative. Es sind je nach Biotoptyp und Lage etwa 2-5% der Fläche betroffen. Dabei ist prinzipiell zu berücksichtigen, daß der Lebensraumtyp Ästuarien in seiner Gesamtheit nicht quantitativ verändert wird, da sich nur einzelne Komponenten dieses Lebensraumtyps im Verhältnis zueinander verschieben. Während das vegetationslose Watt zunimmt, nimmt das röhrichtbestandene Watt oder das angrenzende Landröhricht ab. Dies ist ein grundsätzlich anderer Vorgang als z. B. eine Vordeichung oder die Errichtung eines hohen Spülfeldes im Außendeichsbereich. Die Bewertung der Verschiebung der Komponenten dieser Lebensraumtypen erfolgt in Kapitel 7.

Die Verschiebung hin zu mehr vegetationslosem Watt erscheint insgesamt ungünstiger zu sein. So profitieren zwar möglicherweise die Vögel, die mehr Fläche zum Nahrungserwerb erhalten und die Kieselalgen, die auf dem Wattboden leben. Die anderen untersuchten Tiergruppen wie Laufkäfer, Nachtschmetterlinge sowie die höheren Pflanzen sind jedoch auf den röhrichtbestandenen Teil der Wattflächen angewiesen. Da sich in diesen Gruppen aufgrund der Lebensraumverluste der letzten Jahrzehnte viele gefährdete Arten finden, wird insgesamt der sich verringernde Biotoptyp für wertvoller gehalten als der zunehmende, so daß sich letztendlich ein qualitativer Verlust für den Lebensraumtyp Ästuarien ergibt.

6.2 Arten gemäß Anhang II der FFH-Richtlinie

In Anhang II der FFH-Richtlinie werden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse aufgeführt, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen.

6.2.1 Diskussion des Vorkommens von Arten des Anhang II der FFH-Richtlinie

Von den in Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführten Arten von gemeinschaftlichem Interesse kommen oder kamen im Untersuchungsgebiet folgende Arten zumindest zeitweilig vor oder könnten potentiell vorkommen (* = als prioritär eingestufte Arten):

Großmausohr (Myotis myotis)
Fischotter (Lutra lutra)
Seehund (Phoca vitulina)
Schweinswal (Phocoena phocoena)
Flußneunauge (Lampetra fluviatilis)
Bachneunauge (Lampetra planeri)
Meerneunauge (Petromyzon marinus)
*Stör (Acipenser sturio) - im Untersuchungsgebiet ausgestorben
Alse (Alosa alosa) - im Untersuchungsgebiet ausgestorben
Finte (Alosa fallax)
Lachs (Salmo salar) (nur im Süßwasser) - im Untersuchungsgebiet gilt der "Elb- lachs" als ausgestorben
*Nordseeschnäpel (Coregonus oxyrhynchus) (anadrome Populationen in bestimmten Gebieten der Nordsee)
Rapfen (Aspius aspius)
Bitterling (Rhodeus sericeus amarus)
Steinbeißer (Cobitis taenia)
Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis)
Schmale Windelschnecke (Vertigo angustior) - seit 1960 kein Nachweis im Untersuchungsgebiet
Dicke Flußmuschel (Unio crassus) - seit dem 2. Weltkrieg im Untersuchungsgebiet verschollen
*Schierlings-Wasserfenchel (Oenanthe conioides Lange)

Die folgenden Arten werden zusätzlich als "streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse" in Anhang IV der FFH-Richtlinie geführt: Fischotter, Stör, Nordseeschnäpel, Dicke Flußmuschel und Schierlings-Wasserfenchel.

Zunächst wird das Vorkommen der oben aufgeführten Arten diskutiert und anschließend für die vorkommenden Arten die Betroffenheit durch das geplante Vorhaben und die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen erörtert.

Fische und Rundmäuler

Insgesamt sind 12 der potentiell natürlich in der Tideelbe vorkommenden Fisch- und Rundmaularten in Anhang II der FFH-Richtlinie vom 27.10.1997 aufgelistet (Tabelle 2). Dabei handelt es sich um Vertreter aus 5 Ordnungen bzw. 7 Familien: drei Arten aus der Familie Petromyzonidae, jeweils zwei Arten der Clupeidae, Cyprinidae und Cobitidae und um je eine Art aus den Familien Acipenseridae, Salmonidae und Coregonidae.

Zwei Arten werden nach der FFH-Richtlinie als prioritäre Arten angesehen. Es sind der Nordseeschnäpel (Coregonus oxyrhynchus (L.)) und der Stör (Acipenser sturio L.).

In weitgehender Übereinstimmung der bundesweit gültigen Gefährdungskategorien mit denen der Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg werden vier Arten als ausgestorben, verschollen bzw. als vom Aussterben bedroht eingestuft. Es handelt sich um die prioritären Arten Nordseeschnäpel und Stör sowie um die Alse (Alosa alosa (L.)) und den Lachs (Salmo salar L.). Sechs weitere Arten werden überwiegend in die Kategorie der stark gefährdeten Arten eingeordnet, nämlich das Flußneunauge (Lampetra fluviatilis (L.)), das Bachneunauge (Lampetra planeri (Bloch)), das Meerneunauge (Petromyzon marinus L.), der Bitterling (Rhodeus sericeus amarus Bloch), der Steinbeißer (Cobitis taenia L.) und der Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis (L.)). Der Rapfen (Aspius aspius (L.)) wird als gefährdet eingestuft. Die Zuordnung der Finte (Alosa fallax (Lacépède)) zu den Gefährdungskategorien ist sehr unterschiedlich und reicht von "nicht gefährdet" (Schleswig-Holstein) bis "vom Aussterben bedroht" (Hamburg).

Obwohl die Alse nach JÜRGENS (1939) einstmals zur normalen Fischfauna der Elbe gehörte, ist sie sehr wahrscheinlich schon vor längerer Zeit, noch vor dem Stör, im Untersuchungsgebiet ausgestorben. Nach ALBRECHT (1960) war die Alse bis etwa 1870 in der Elbe häufig. Von ihren ehemals weit nach stromauf erfolgenden Laichaufstiegen zeugen Belegexemplare (1859, 1871, 1896) in der Sammlung des Prager Museums (FRIC 1859, DUNCKER 1960). KLUGE (1899) gibt an, daß die Alse in der mittleren Elbe ganz selten geworden ist und STERNER (1918) berichtet, daß sie in der Unterelbe nur noch äußerst selten gefangen wird. Auch KYLE & EHRENBAUM (1929) weisen darauf hin, daß die Bestände der Alse in der Elbe stark zurückgegangen sind. Nach DUNCKER (1960) wanderte die Alse zwar bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts noch als seltener Irrgast elbaufwärts, aber ihr Fang ist in der Unterelbe schon seit über 300 Jahren zweifelhaft und zumindest seit 1843 ( Gründung des Hamburger Museums) nicht mehr dokumentiert. Aufgrund der seit mehr als hundert Jahren fehlenden Nachweise der Alse im Untersuchungsgebiet, wird diese

Art aus den weiteren Betrachtungen ausgeklammert.

Tab. 2: Potentiell natürlich in der Tideelbe vorkommende Fisch- und Rund- maularten nach Anhang II der Richtlinie 97/62/EG des Rates vom 27.10. 1997 mit Angabe ihrer Priorität und Gefährdungsgrade.

r.Ordnung
Familie
Art
TrivialnameFFHSHNSHHBU
 Petromyziniformes
Petromyzonidae
      
1Lampetra fluviatilis (L.)Flußneunauge 

3

2

2

2

2Lampetra planeri (Bloch)Bachneunauge 

2

2

2

2

3Petromyzon marinus L.Meerneunauge 

2

1

2

2

 Acipenseriformes
Acipenseridae
      
4Acipenser sturio L.Stör

P

0

0

0

0

 Clupeiformes
Clupeidae
      
5Alosa alosa (L.)Alse 

0

1

0

1

6Alosa fallax (Lacépède)Finte 

5

2

1

2

 Salmoniformes
Salmonidae
      
7Salmo salar L.Lachs 

1

1

0

1

 Coregonidae      
8Coregonus oxyrhynchus (L.)Nordseeschnäpel

P

1

0

1

0

 Cypriniformes
Cyprinidae
      
9Aspius aspius (L.)Rapfen 

3

3

3

3

10Rhodeus sericeus amarus BlochBitterling 

3

1

2

2

 Cobitidae      
11Cobitis taenia L.Steinbeißer 

3

2

2

2

12Misgurnus fossilis (L.)Schlammpeitzger 

3

2

2

2

Summe über alle ArtenKategorie P

2

    
 Kategorie 0 

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Legende:

Priorität nach FFH-Richtlinien (FFH); Gefährdungsgrade für Schleswig-Holstein (SH) nach Dehus (1990), für Niedersachsen (NS) nach GAUMERT & KÄMMEREIT (1993), für Hamburg (HH) nach DIERCKING & WEHRMANN (1991) und bundesweit (BU) nach NOWAK et al. (1994). Kategorie P: prioritäre Art; 0: ausgestorben oder verschollen, 1: vom Aussterben bedroht, 2: stark gefährdet, 3: gefährdet bzw. gefährdete, wandernde Art, 4: potentiell gefährdet, 5: nicht gefährdet bzw. nicht in der Roten Liste geführt.

Der Lachs wird ebenfalls aus den weiteren Betrachtungen ausgeschlossen, denn der eigentliche "Elblachs" gilt als ausgestorben (UVU 1997). Die aktuellen Nachweise von Lachsen gehen entweder auf Wiedereinbürgerungsversuche elbfremder Stämme zurück (ARGE ELBE 1995) oder es handelt sich um Individuen aus dem 1997 in der sächsischen Elbe durchgeführten Besatz mit 3 Millionen Tieren. Bei den seit 1980 im Stör-Bramau-Gebiet und in der Pinnau ausgesetzten Brüt- und Setzlingen handelt es sich beispielsweise um Material, das aus Nord- und Südschweden bzw. Norwegen stammt (NELLEN & DEHUS 1985).

In folgenden Gebieten wurden Lachse nachgewiesen (in Klammern die Gebietsnummer entsprechend der Numerierung in Kapitel 7):

(2) Ilmenau-Luhe-Niederung (vgl. Kap. 7.2)
(5) Mühlenberger Loch, Hahnöfer Nebenelbe, Neßsand, Hanskalbsand (vgl. Kap. 7.6)
(6) Lühemündung, Lühesander Süderelbe, Elbinsel Lühesand (vgl. Kap. 7.7)
(7) Auetal (vgl. Kap. 7.8)
(12) Wasserfläche zwischen Wedel und Kollmar einschließlich Pagensander Nebenelbe und Vordeichland nördlich der Krückaumündung (vgl. Kap. 7.13)
(13) Pinnau (vgl. Kap. 7.14)
(15) Vordeichland und Wasserfläche zwischen Kollmar und Hollerwettern einschließlich Rhinplatte (vgl. Kap. 7.16)
(16) Vordeichland und Wasserfläche zwischen Hollerwettern und Brunsbüttel einschließlich Vordeichland St. Margarethen (vgl. Kap. 7.17)
(17) Vordeichland und Wasserfläche bei Neufeld (vgl. Kap. 7.18)
(18) Unterelbe zwischen Barnkrug und Otterndorf (vgl. Kap. 7.19)
(19) Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer (vgl. Kap. 7.20)
(20) Niedersächsisches Wattenmeer (vgl. Kap. 7.21)
(21) Hamburgisches Wattenmeer (vgl. Kap. 7.22)

Übrige Artengruppen

Von den Mollusken des Anhangs II fehlen die meisten im Untersuchungsgebiet (DEMBINSKI et al. 1997). Die Dicke Flußmuschel (Unio crassus) wurde bis Anfang dieses Jahrhunderts in der Elbe nachgewiesen, konnte aber nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr aufgefunden werden. Auch für die Schmale Windelschnecke (Vertigo angustior) gibt es nur einen Fundort in einem sumpfigen, kaum 5-10 m breiten Quellsumpf-Erlenbruchstreifen im Uferbereich der Elbe in Schröders Park in Hamburg. Sie wurde dort zwischen 1920 und 1960 nachgewiesen, seither nicht mehr. Von der Maßnahme wäre sie ohnehin nicht betroffen, da der Quellsumpfstreifen zwischen hochgelegenen Spazierwegen am höheren Ufer liegt.

Von den im Anhang II genannten Säugetieren kommen möglicherweise noch Schweinswal, Fischotter und Fledertiere im Untersuchungsgebiet vor. Der Schweinswal dringt nicht in den erheblich betroffenen Abschnitt der Elbe vor. Der in der Literatur mit älteren Fundpunkten belegte Fischotter wird im nächsten Kapitel besprochen.

Von den im Anhang II aufgeführten Fledertieren kommt nur das wärmeliebende Großmausohr (Myotis myotis) in Hamburg und im Elbegebiet vor. Es erreicht dort die Nordgrenze seiner Verbreitung und besitzt Lebensraumansprüche, die in einem Außendeichsgebiet kaum erfüllt werden können. Sein Vorkommen im Außendeichsbereich ist durch Literatur nicht belegt. Die Fledertiere sind zwar nicht durch eigene Untersuchungen erhoben worden, dürften jedoch von den prognostizierten geringen Erhöhungen des Tidenhubs nicht beeinträchtigt werden. Sie können Überflutungen besser ausweichen als die übrige, nicht flugfähige Säugetierfauna, die auf den Inseln bei Sturmfluten oft ausgelöscht wird und sich erst langsam wieder einfindet, teils durch Zuwanderung übers Eis, teils durch Anschwimmen.

Das Vorkommen weiterer, im Rahmen der Untersuchungen nicht aufgenommener Arten ist nicht zu erwarten. So wurden z.B. im Rahmen des Gutachtens zu den terrestrischen Lebensgemeinschaften (vgl. MATERIALBAND VI der UVU) bewußt Gruppen ausgewählt, die im Außendeichsbereich auch einen wichtigen Lebensraum besitzen, nämlich Vögel (siehe gesonderten Gutachtenteil), Seehunde, Käfer, Nachtschmetterlinge und Moose. Zum anderen fallen viele Gruppen insofern aus, als sie Sturmfluten nicht überleben können und nach einer Sturmflut ihre Populationen immer wieder neu aufbauen müssen. Dazu zählen insbesondere Libellen, Heuschrecken, Amphibien und Reptilien, die in gewissen Zeiten ihrer Entwicklung weder flugfähig, noch überflutungstolerant sind, bzw. aus den Stillgewässern aufgrund hoher Strömungsgeschwindigkeiten herausgespült werden.

Es verbleiben somit in der weiteren Betrachtung folgende 13 Arten (* = als prioritär eingestufte Arten):

  • Fischotter (Lutra lutra)
  • Seehund (Phoca vitulina)
  • Flußneunauge (Lampetra fluviatilis)
  • Bachneunauge (Lampetra planeri)
  • Meerneunauge (Petromyzon marinus)
  • *Stör (Acipenser sturio)
  • Finte (Alosa fallax)
  • *Nordseeschnäpel (Coregonus oxyrhynchus) (anadrome Populationen in bestimmten Gebieten der Nordsee)
  • Rapfen (Aspius aspius)
  • Bitterling (Rhodeus sericeus amarus)
  • Steinbeißer (Cobitis taenia)
  • Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis)
  • *Schierlings-Wasserfenchel (Oenanthe conioides Lange)

6.2.2 Diskussion der Betroffenheit von Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie

6.2.2.1 Säugetiere

Fischotter

Der Fischotter wurde im Untersuchungsgebiet seit 1946 gelegentlich an der Oste und der Ilmenau anhand von Hinweisen und Nachweisen dokumentiert. Offenbar handelt es sich bei den Funden unterhalb von Hechthausen und unterhalb der Schleuse Hunden-Fahrenholz aber nicht um bodenständige Vorkommen, sondern um Wanderungsfunde. Sein Vorkommen im Außendeichsbereich der Elbe und ihrer tidebeeinflußten Nebenflüsse ist nach Literatur seit 1962 nicht mehr belegt. Es sind dennoch die Maßgaben des Niedersächsischen Fischotterprogrammes zu beachten.

Zu den an die Elbe anschließenden Gewässern, für die spezielle Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen im Niedersächsischen Fischotterprogramm vorgeschlagen werden, gehören Oste, Schwinge, Lühe, Este, Seeve und Luhe. Dabei wurden für einen speziellen Schutz Abschnitte vorgeschlagen, die außerhalb des Einflußbereichs einer MThw-Erhöhung liegen, nämlich an Este, Seeve und Luhe. Nur an Oste, Schwinge und Lühe reicht das vorgeschlagene Gebiet bis an die Elbe heran.

Die Maßnahme der Fahrrinnenpassung der Elbe wirkt sich auf die Lebensraumansprüche der Fischotter nicht aus. So ist eine zusätzliche Entwertung und Zerstörung von Lebensraum durch Verminderung von Strukturvielfalt und Deckungsmöglichkeiten nicht zu befürchten. Auch Laufverkürzungen von Gewässern, Brückenbau, Verkehrswegezunahme, eine Steigerung des Schadstoffanteils in der Fischnahrung und eine Zunahme von Unterhaltungsmaßnahmen sind nicht zu besorgen. Ebenso ist eine Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Fließgewässerbiozönose durch Eintrag feinkörnigeren Sediments (Verschlickung von Sandbetten oder Versandung von Kiesbetten als Laichsubstrat für Kieslaicher) in den Nebenflüssen aufgrund der geringen Auswirkungen der Maßnahme nicht anzunehmen. Da auch die Durchgängigkeit der Gewässernetze für Fische in den Nebenflüssen nicht vermindert wird, ist eine Auswirkung der Maßnahme der Fahrrinnenpassung auf die Fischotter nicht zu befürchten.

Seehund

Zur Bestandsabschätzung der Seehunde (Phoca vitulina) im Untersuchungsgebiet wurden im Bereich des Wattenmeeres die Ergebnisse mehrjähriger Flugzählungen zwischen 1990 und 1995 ausgewertet (vgl. MATERIALBAND VI Anhang 3). Vergleichbare Daten für die Elbabschnitte oberhalb Brunsbüttel liegen nicht vor. Die Aussagen stützen sich hier vornehmlich auf Zufallsbeobachtungen Ortskundiger. Im Frühjahr/Sommer 1995 wurden deshalb potentielle Liegeplätze am Elbufer und auf den Elbsänden zwischen Brunsbüttel und Finkenwerder ergänzend nach Seehunden abgesucht.

Im gesamten zu betrachtenden Untersuchungsgebiet sind bereits Seehunde beobachtet worden. Bestände mit traditionellen Liegeplätzen und regelmäßiger Reproduktion finden sich aber nur im Bereich des Wattenmeeres. Im Sommer 1995 wurden hier maximal 370 Tiere gezählt. Während der Jahre 1991 - 1995 lebten im Untersuchungsgebiet etwa 3,6 % der gesamten Wattenmeerpopulation. Bei den Sichtungen oberhalb Brunsbüttel handelte es sich offenbar nur um temporäre Einwanderungen einzelner Tiere oder kleinerer Rudel.

Die Reproduktionsleistung der Seehunde im Untersuchungsgebiet lag zwischen 1990 und 1995 bei nur 8-15%. Es ist das im Vergleich zum sonstigen Wattenmeer, wo großräumig Reproduktionsraten von bis zu 20% erreicht werden, reproduktionsschwächste Gebiet an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. Auf den flachliegenden, vergleichsweise lang überfluteten Sänden finden vor allem säugende Jungtiere nur suboptimale Aufzuchtbedingungen. Trotz der schwachen Reproduktion haben die Seehundbestände in den Untersuchungsabschnitten VI und VII mit im Mittel 20% überdurchschnittlich (Schleswig-Holstein im Mittel 14%) zugenommen, weil vermutlich aus weiter nördlich und westlich liegenden Nachbarpopulationen ständig Tiere zuwandern. Besonders anziehend wirken vermutlich die verhältnismäßig reichen Fischvorkommen im Elbeästuar. Die im Sommer am stärksten besetzten Liegeplätze befinden sich im Prielsystem der Schatzkammer, am Medemgrund und an der Scharhörnbalje. Die wichtigsten Jungtierbänke liegen in der Schatzkammer, wo 1995 mehr als die Hälfte aller Jungtiere des Untersuchungsgebietes gezählt wurden.

Im oberhalb Brunsbüttels gelegenen Teil des Untersuchungsgebietes wurden wiederholt Einzeltiere oder kleine Rudel von Seehunden beobachtet. Die Tiere wurden fast ausschließlich im Wasser (z.B. Ostemündung, Brammer Bank, Mühlenberger Loch) gesichtet. Regelmäßig genutzte Liegeplätze oder Aufzuchtplätze mit erfolgreicher Reproduktion sind nicht nachzuweisen. Besonders häufig werden Seehunde hier zur Laichzeit der Stinte im April/Mai gesichtet. Die Tiere folgen vermutlich wandernden Fischschwärmen stromaufwärts und halten sich dann in deren Laichgebieten auf, bis das abnehmende Nahrungsangebot oder zunehmender Tourismus sie in Richtung Nordsee zurückdrängt.

Auswirkungen auf den Seehund

Wie bereits bei den Lebensraumtypen des Anhangs I aufgeführt, sind die Lebensräume unterhalb der 1cm-Erheblichkeitsschwelle nicht betroffen, d. h. die Hauptlebensräume des Seehundes sind weder erheblich noch nachhaltig betroffen. In einem gesonderten Expertengutachten wurde erarbeitet, daß der Seehund weder in seiner Nahrungsaufnahme noch in seiner Fortpflanzung durch die Maßnahme der Fahrrinnenanpassung erheblich oder nachhaltig beeinträchtigt wird. Dies gilt auch für die die Elbe hinaufwandernden Tiere, die häufiger an der Ostemündung und im Bereich des Mühlenberger Loches gesichtet werden.

Für die Seehunde werden die Störungen durch die Ausbaubaggerungen als nicht erheblich eingeschätzt, da sich ihre Liegeplätze in genügendem Abstand von der Fahrrinne befinden. Störungen der Seehunde durch Verbringungsaktivitäten werden ebenfalls nicht befürchtet, da sich die Baggergutverbringungsstellen bis auf eine Ausnahme alle außerhalb der Störungszonen der Seehundliegeplätze befinden. Lediglich die Klappstelle km 741 befindet sich derartig nahe an einem Liegeplatz, daß eine Beunruhigung oder gar Vertreibung möglich wäre. Es handelt sich jedoch um einen eher unbedeutenden Gelegenheitsliegeplatz, so daß dies als unerheblich eingestuft wird (vgl. MATERIALBAND VI Anhang 3 und UVS).

 

6.2.2.2 Fische und Rundmäuler

Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde eine Aktualisierung und Ergänzung der in Materialband VII der UVU vorliegenden Angaben zu Fischen und Rundmäulern vorgenommen, da hier die autökologischen Lebensraumansprüche detaillierter zu behandeln sind als in der UVU.

In dieser Studie wurden die den Arbeiten von THIEL (1994), THIEL (1995), THIEL et al. (1995), THIEL et al. (1996) und THIEL & BOS (1998) zugrunde liegenden Daten zu Vorkommen, Verteilung und Populationsstruktur der betreffenden Arten im Untersuchungsgebiet neu gruppiert und bezogen auf die geplanten FFH-Gebiete ausgewertet. Angaben einer Reihe von qualitativ ausgerichteten Arbeiten gingen als Zusatzinformationen in die Auswertung ein.

Ausgehend von den unterschiedlichen Habitatansprüchen der verschiedenen Arten und Lebensstadien, wurde die Bedeutung der geplanten FFH-Gebiete im Untersuchungsgebiet analysiert. Dabei wurde insbesondere die ökologische Funktion dieser Gebiete als Laich-, Aufwuchs-, Nahrungs-, Wander- und Rückzugshabitate untersucht und bewertet.

Folgende Gruppierungskriterien wurden als Grundlage für die habitatbezogene Datenanalyse definiert:

Laichgebiet: Vorkommen von Adulten der jeweiligen Arten während der Laichzeit; Nachweis ihrer Dottersacklarven

Aufwuchsgebiet: Vorkommen von Postlarven und Juvenilen der zu betrachtenden Fischarten bzw. von Neunaugenquerdern

Nahrungsgebiet: Nachweis von Adulten der jeweiligen Arten, bei anadromen Arten nur außerhalb der Periode der Laichwanderung

Wandergebiet: Nachweis von Adulten der betreffenden anadromen Arten zum Zeitpunkt ihrer Laichwanderung; Vorkommen von Juvenilen der anadromen Arten zum Zeitpunkt ihrer Abwanderung aus dem Untersuchungsgebiet

Rückzugsgebiet: Vorkommen der zu betrachtenden Arten während der Winterperiode (Überwinterungsgebiet); Vorhandensein von strömungsberuhigten, flachen Bereichen bzw. von Nebenflüssen (Ausweichgebiet).

Die Beurteilung der gegenwärtigen Bedeutung des Untersuchungsgebietes und der geplanten FFH-Gebiete für die Fisch- und Rundmaularten aus Anhang II der FFH-Richtlinie sowie die Bewertung der Auswirkungen des geplanten Vorhabens und der vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen auf die genannten Arten werden unter Berücksichtigung des Arteninventars sowie der ökologischen Funktionen der einzelnen Gebiete vorgenommen.

Im folgenden wird zunächst für die beiden in Anhang II der FFH-Richtlinie als prioritär eingestuften Fischarten (Nordseeschnäpel und Stör) die Bedeutung des Untersuchungsgebietes und die zu erwartenden Auswirkungen des geplanten Vorhabens und der vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen erläutert. Anschließend wird für die übrigen 8 Fisch- bzw. Rundmaularten, die in Anhang II der FFH-Richtlinie nicht als prioritär eingestuft werden, aber im Untersuchungsgebiet bestandsbildend sind, die Bedeutung für die zu betrachtenden Gebiete (vgl. Kapitel 7) analysiert und dargestellt. Die Auswirkungen des geplanten Vorhabens und der vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen auf diese Arten in den zu betrachtenden Gebieten werden in Kapitel 7 jeweils in die Beschreibung der zu erwartenden Auswirkungen für die einzelnen Gebiete einbezogen.

Prioritäre Fischarten (Nordseeschnäpel und Stör)

Der ehemals in den Wattengebieten der südlichen und östlichen Nordseeküste einschließlich ihrer größeren Zuflüsse häufig vorkommende Nordseeschnäpel (LOZAN 1990) wurde nach seinem Bestandszusammenbruch in der Mitte der 20er Jahre im Untersuchungsgebiet bis zum Beginn der 90er Jahre nur in Einzelexemplaren nachgewiesen (DIERCKING & WEHRMANN 1991, MEYER 1996, MEYER et al. 1998)). Ehemals war der Nordseeschnäpel bei Blankenese häufig, seltener bei Harburg (VON DEM BORNE 1883). Bis Mitte der 20er Jahre war der Nordseeschnäpel in der Elbe Zielobjekt einer speziellen Fischerei (DIERCKING & WEHRMANN 1991). Er wurde vor allem während seiner Laichzüge von Ende Oktober bis Dezember gezielt befischt (STERNER 1918). Nach ALBRECHT (1960) war bereits nach 1870 ein deutlicher Ertragsrückgang zu verzeichnen. Bemühungen, den Schnäpelbestand durch künstliche Erbrütung zu stützen, schlugen fehl (DRÖSCHER 1898). Auch die neben weiteren Einrichtungen ihrer Art in 1890 in Bienenbüttel an der Ilmenau eingerichtete Brutanstalt, in der mehrere Millionen Jungfische erzeugt und schließlich ausgesetzt wurden, konnte den Niedergang des Nordseeschnäpelbestandes im Untersuchungsgebiet nicht verhindern (BAUCH 1958). Seit Mitte der 30er Jahre gilt der Nordseeschnäpel in der Elbe als ausgestorben (vgl. DIERKING & WEHRMANN 1991). Ausgehend von dieser Bestandssituation wurde der Nordseeschnäpel noch in der UVU (1997) als ausgestorben eingestuft. Seit 1995 werden allerdings wieder häufiger Schnäpel im Untersuchungsgebiet gefangen. Belegt sind Fänge von juvenilen Individuen in folgenden der zu betrachtenden Gebiete (THIEL, unveröff.):

(3) Zollenspieker (vgl. Kap. 7.4)
(4) Heuckenlock und Schweenssand (vgl. Kap.7.5)
(6) Lühemündung, Lühesander Süderelbe und Elbinsel Lühesand (vgl. Kap.7.7)
Adulte Schnäpel wurden seit Herbst 1995 während ihrer anadromen Laichwanderung (vgl. Tabelle 2) in folgenden Gebieten gefangen (THIEL, unveröff., GRAMM 1998, SCHMIDT 1998):
(6) Lühemündung, Lühesander Süderelbe und Elbinsel Lühesand (vgl. Kap. 7.7)
(16) Vordeichland und Wasserfläche zwischen Hollerwettern und Brunsbüttel einschließlich Vordeichland St. Margarethen (vgl. Kap. 7.17)
(17) Vordeichland und Wasserfläche bei Neufeld (vgl. Kap. 7.18).

Entgegen der Ansicht von NOWAK et al. (1994), die den eigentlichen Nordseeschnäpel für den gesamten Nordseebereich für ausgestorben erklären, wurde 1983 die in dänischen Gewässern vorhandene Restpopulation, die vor allem die Flüsse Vida und Ribe Åa zum Laichaufstieg nutzt, unter strengen Schutz gestellt sowie Laichaufstiegsmöglichkeiten verbessert und Laichplätze renaturiert (GRØN 1987, LOZAN 1990). Beispielsweise konnte die in die Vida aufsteigende Restpopulation, die 1982 nur noch aus ca. 1200 Laichtieren bestand (BERG et al. 1994), in ihrem Bestand deutlich vergrößert werden. Neben der Verbesserung der Laichaufstiegsmöglichkeiten und der Qualität der Laichplätze hat insbesondere auch der Besatz mit mehr als 1,7 Millionen künstlich erbrüteten juvenilen Schnäpeln von 1987 bis 1992 in 6 dänischen Flüssen zur Verbesserung der Situation des Gesamtbestands beigetragen. In allen besetzten Flüssen konnte inzwischen ein erfolgreiches Ablaichen der Schnäpel festgestellt werden (BERG et al. 1994).

Bei den seit 1995 in der Tideelbe nachgewiesenen adulten Schnäpeln könnte es sich um Tiere handeln, die aus dem in dänischen Gewässern angewachsenen Bestand nach Süden abgewandert sind. Auch Erfolge erster Besatzmaßnahmen, die in holländischen und deutschen Gewässern, z.B. in Elbe und Weser bzw. in einigen ihrer Nebenflüsse u.a. auch auf eine Initiative des Internationalen Wattenmeersekretariats zur Wiedereinbürgerung des Nordseeschnäpels (GAUMERT & KÄMMEREIT 1993) hin erfolgten, sind denkbar. Die Nachweise von juvenilen Schnäpeln in den geplanten FFH-Gebieten Zollenspieker sowie Heuckenlock und Schweenssand gehen sehr wahrscheinlich auf 1997 durchgeführte Besatzmaßnahmen mit einigen Zehntausend Individuen in mehreren Nebenflüssen des Untersuchungsgebietes zurück.

Bei Berücksichtigung zunehmender internationaler und nationaler Bestrebungen zur Wiedereinbürgerung des Nordseeschnäpels in der Elbe und einer sich dadurch möglicherweise weiter verbessernden Bestandssituation dieser prioritären Art spielen insbesondere die Intaktheit und Erreichbarkeit der Laichgebiete eine ganz wesentliche Rolle. Wichtige Laichgebiete des über sandigen bis kiesigen Substraten ablaichenden litho-pelagophilen Nordseeschnäpels lagen ehemals sowohl in der unteren (DIERCKING & WEHRMANN 1991) als auch in der mittleren Elbe (STERNER 1918).

Nach DRÖSCHER (1889) befanden sich die Hauptlaichgebiete des Schnäpels in der mittleren Elbe im 19. Jahrhundert zwischen Sandau und Tangermünde, bei Wittenberge und Cumlosen. Bereits zur Jahrhundertwende existierten aber nur noch die bei Sandau und Werben gelegenen Laichgebiete (BAUCH 1958). Diese sind zum Teil noch intakt, und ihre Erreichbarkeit ist mit der Fertigstellung des neuen Umgehungsgerinnes an der Staustufe Geesthacht seit April 1998 für den Schnäpel wieder gegeben. Zukünftig könnte deshalb den unmittelbar unterhalb von Geesthacht gelegenen Gebieten Altengammer Elbwiesen, Ilmenau-Luhe-Niederung und Zollenspieker während des Laichaufstiegs des Schnäpels eine bedeutsame Funktion als Wander- und Rückzugsgebiet (Ruhegebiet) für diese prioritäre Art zufallen.

Wegen der Reduktion der Schnäpellaichgebiete in der mittleren Elbe ist die Bedeutung der Intaktheit der Laichgebiete in der Tideelbe gestiegen. Der Nordseeschnäpel suchte früher in der Tideelbe Laichgebiete auf, die mit denen der Finte identisch waren (DIERCKING & WEHRMANN 1991). Nach DIERCKING & WEHRMANN (1991) und THIEL et al. (1996) wären gegenwärtig die Gebiete 5 (Mühlenberger Loch, Hahnöfer Nebenelbe, Neßsand, Hanskalbsand) sowie 6 (Lühemündung, Lühesander Süderelbe und Elbinsel Lühesand) als potentielle Laichgebiete des Nordseeschnäpels zu betrachten. Die Tatsache, daß im Gebiet 6 sowohl juvenile als auch adulte Schnäpel nachgewiesen wurden, ist ein Hinweis auf bereits gegenwärtig erfolgende Laichaktivitäten zumindest in einem Bereich des Untersuchungsgebietes.

Insbesondere Maßnahmen, wie z.B. die Verklappung von Baggergut oder die Baggerung, die lokal zur Erhöhung des Schlickanteils im Bodensubstrat bzw. von Schwebstoffen in der Wassersäule führen, würden sich negativ auf den Laicherfolg des Schnäpels und auf die Schlupfrate seiner Larven auswirken. Besonders problematisch wäre in diesem Zusammenhang die Durchführung der genannten Maßnahmen während der Laichzeit und der Periode der Embryonalentwicklung von Oktober bis März.

Tab. 3: Zuordnung der prioritären Fischarten zu ökologischen Gilden der Reproduktion (RE), Habitatbindung (HB) und Ernährung (ER)

Nr.

Wissenschaftliche Bezeichnung

Trivialname

Ökologische Gilden

   

RE

HB

ER

01Acipenser sturio L.Stör

Litho-pelagophil

Anadrom

E, F

02Coregonus oxyrhynchus (L.)Nordseeschnäpel

Litho-pelagophil

Anadrom

P, E

Legende unter Tabelle 4

Die zweite, nach der FFH-Richtlinie als prioritär eingestufte und im Untersuchungsgebiet potentiell natürlich vorkommende Fischart, der Stör, ist hier ausgestorben, so daß eine detaillierte Betrachtung entfallen kann. Es sei jedoch erwähnt, daß der Störbestand mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund Überfischung erloschen ist (EHRENBAUM 1916, SCHNAKENBECK 1928). Nach NELLEN (1992) dürften gegenwärtig auch die Existenzbedingungen der Störeier auf vielen ehemaligen Laichplätzen durch deren Verschlammung kaum noch vorhanden sein. In der Tideelbe erfolgte die Eiablage an vertieften, kiesigen Stellen, in sogenannten Kuhlen von Juni bis Juli. Bevorzugte Laichplätze waren früher die Brockdorfer Kuhlen, der Köhlbrand und die Süderelbe bei Harburg sowie die untere Oste (MOHR 1952, DIERCKING & WEHRMANN 1991). Von den genannten Gebieten verfügt z.Z. nur noch die untere Oste über die erforderlichen Laichplatzkriterien. In der Oste und im angrenzenden Bereich der Unterelbe wurden noch Ende der 50er Jahre etwa 15 bis 20 Jungstöre gefangen, was ein Hinweis auf ein erfolgreiches Laichgeschäft der Adulten zum damaligen Zeitpunkt war (GAUMERT & KÄMMEREIT 1993). In Hinblick auf die geplante Wiedereinbürgerung des Störs in deutschen Gewässern wäre demnach das Gebiet 18 (Unterelbe zwischen Barnkrug und Otterndorf) als potentieller Störlaichplatz zu erhalten.

Bedeutung der zu betrachtenden Gebiete für die nicht als prioritär eingestuften Fisch- und Rundmaularten

Ausgehend von der FFH-Richtlinie werden insgesamt 8 nicht als prioritär eingestufte Arten von gemeinschaftlichem Interesse in die Betrachtungen mit einbezogen, da sie im Untersuchungsgebiet bestandsbildend sind.

7 Arten haben spezielle Ansprüche an die Reproduktion bzw. an das Laichsubstrat (Tabelle 4). 4 Arten sind Kieslaicher: Rapfen, Fluß-, Bach- und Meerneunauge; 2 Arten sind Pflanzenlaicher: Steinbeißer, Schlammpeitzger; 1 Art Muschellaicher: Bitterling. Nur die Finte laicht pelagisch mit vergleichsweise weniger speziellen Ansprüchen an das Laichsubstrat. Alle Arten haben spezielle Habitatansprüche. 4 Arten bevorzugen Gebiete mit Strömung (rheophile Arten). Hierzu gehören Rapfen, Steinbeißer, Bachneunauge und Schlammpeitzger. Finte, Fluß- und Meerneunauge sind anadrome Arten. Der Bitterling wird als limnophil eingestuft.

Die Ansprüche an die Nahrung sind eher generalistisch. Evertebraten und Plankton sind die wichtigsten Nahrungsorganismen.

Auswirkungen des geplanten Vorhabens und der Kompensationsmaßnahmen müssen also vor allem dahingehend untersucht werden, ob Laichsubstrate und Strömungsverhältnisse verändert bzw. Wanderwege unterbrochen werden.

Tab. 4: Zuordnung der näher zu betrachtenden Fisch- und Rundmaularten von gemeinschaftlichem Interesse zu ökologischen Gilden der Reproduktion (RE), Habitatbindung (HB) und Ernährung (ER).

Nr.

Wissenschaftliche Bezeichnung

Trivialname

Ökologische Gilden

   

RE

HB

ER

01Alosa fallax (Lacép de)Finte

Pelagophil

Anadrom

P, E, F

02Aspius aspius (L.)Rapfen

Lithophil

Rheophil B

E, F

03Cobitis taenia L.Steinbeißer

Phytophil

Rheophil B

P, E, D

04Lampetra fluviatilis (L.)Flußneunauge

Lithophil

Anadrom

P, E, F, D

05Lampetra planeri (Bloch)Bachneunauge

Lithophil

Rheophil A

P, E, D

06Misgurnus fossilis (L.)Schlammpeitzger

Phytophil

Rheophil B

P, E, D

07Petromyzon marinus L.Meerneunauge

Lithophil

Anadrom

P, E, F, D

08Rhodeus sericeus amarus BlochBitterling

Ostracophil

Limnophil

P, E, H

Legende:

(1) Reproduktion (RE) nach BALON (1975, 1981) - phytophil: obligatorischer Pflanzenlaicher, lithophil: Geröll- und Kieslaicher mit benthischen Larven, pelagophil: pelagischer Laicher, litho-pelagophil: Geröll- und Kieslaicher mit pelagischen Larven, ostracophil: Muschellaicher

(2) Habitatbindung (HB) in Anlehnung an SCHIEMER & WAIDBACHER (1992) -, rheophil A: alle Lebensstadien zeitlebens im Hauptstrom, rheophil B: primär im Hauptstrom, aber zeitweise in Nebengewässern, limnophil: zeitlebens in stehenden Gewässern der Flußaue, anadrom: Fische ziehen zur Fortpflanzung vom Meer in die Flüsse;

(3) Ernährung (ER) in Anlehnung an ELLIOTT & DEWAILLY (1995) nach Angaben von DRENKELFORT (1994), FIEDLER (1983), FIEDLER (1991), HENNIG & ZANDER (1981), HÖLKER & HAMMER (1994), KOOPS (1959), KÜHL (1961), KÜHL (1970), LILLELUND (1961), LÜCHTENBERG (1986), MOHR (1916), MÖLLER (1984), OESMANN (1994), STADEL (1936), TEBBE (1994), THIEL (1994)- E: Evertebraten, P: Plankton, F: Fische, H: Pflanzen, D: Detritus.

In den zu betrachtenden Gebieten (vgl. Kap. 7) wurden zwischen 3 und 8 der relevanten Arten nachgewiesen (Tabelle 5). In den Gebieten 6 (Lühemündung, Lühesander Süderelbe und Elbinsel Lühesand) sowie 12 (Wasserfläche zwischen Wedel und Kollmar einschließlich Pagensander Nebenelbe und Vordeichland nördlich der Krückaumündung) kommen alle 8 Arten, in den Gebieten 3 (Zollenspieker) und 18 (Vordeichland und Wasserfläche zwischen Kollmar und Hollerwettern einschließlich Rhinplatte) immerhin noch 7 der betreffenden Arten vor.

Die Pinnau (Gebiet 13) ist das wichtigste Laichgebiet, da sie Laichplätze für 4 Arten aufweist. In den Gebieten 8 (Wedeler Marsch) und 14 (Krückau) finden 3 Arten Laichhabitate. Bei den 3 letztgenannten Gebieten handelt es sich auch um die bedeutendsten Aufwuchsgebiete. Zusätzlich ist in dieser Funktion das Gebiet 2 (Ilmenau-Luhe-Niederung) hervorzuheben. Als Nahrungsgebiet ist das Gebiet 3 (Zollenspieker) von besonderer Bedeutung. Wichtige Nahrungshabitate beherbergen außerdem die Gebiete 1 (Altengammer Elbwiesen), 7 (Auetal), 8 (Wedeler Marsch) und 13 (Pinnau) sowie die Wattenmeergebiete 19-21. Als Rückzugsareale sind vor allem die Gebiete 6 (Lühemündung, Lühesander Süderelbe und Elbinsel Lühesand), 3 (Zollenspieker), 1 (Altengammer Elbwiesen), 2 (Ilmenau-Luhe-Niederung), 4 (Heuckenlock, Schweenssand), 5 (Mühlenberger Loch, Hahnöfer Nebenelbe, Neßsand, Hanskalbsand), 7 (Auetal), 8 (Wedeler Marsch) und 13 (Pinnau) von Bedeutung. Bis auf die Wedeler Marsch haben alle anderen Gebiete eine zusätzliche wichtige Funktion als Wandergebiet für 2-3 Arten.

Tab. 5: Übersicht zur Anzahl der Arten von gemeinschaftlichem Interesse und zu den Funktionen der einzelnen Gebiete aus fischökologischer Sicht mit Angabe der Rangfolge ihrer Bedeutung und von Besonderheiten.

Gebiet

Arten-
zahl

Ökologische Funktionen

Rang-
summe

Rang-
folge

Besonder-
heiten

  

Laich-
gebiet

Auf-
wuchs-
gebiet

Nah-
rungs-
gebiet

Rück-
zugs-
gebiet

Wander-
gebiet

   

01

6

1

2

3

6

3

20

04

 

02

6

2

3

2

6

3

21

03

Laichgebiet Schlamm-
peitzger

03

7

1

2

4

7

3

23

02

 

04

6

1

2

1

6

3

18

06

 

05

6

2

2

1

6

3

19

05

Laichgebiet Finte

06

8

2

2

2

8

3

24

01

Hauptlaich-
gebiet Finte

07

6

1

1

3

6

2

18

06

 

08

6

3

3

3

6

1

21

03

Laichgebiet Bitterling,

Steinbeißer

09

5

1

2

1

5

3

16

08

 

10

4

0

2

1

4

3

13

09

 

11

4

0

2

1

4

3

13

09

 

12

8

2

2

1

2

3

17

07

Laichgebiet Finte

13

6

4

4

3

6

2

24

01

Laichgebiet Neunaugen

14

4

3

3

1

4

2

16

08

Laichgebiet Neunaugen

15

7

0

2

1

4

3

16

08

 

16

4

0

1

1

4

3

12

10

 

17

3

0

1

0

3

3

9

11

 

18

6

2

2

2

5

3

19

05

Laichgebiet Finte

19

3

0

1

3

3

3

12

10

 

20

3

0

1

3

3

3

12

10

 

21

3

0

1

3

3

3

12

10

 

 

Um eine vergleichende Bewertung der fischökologischen Bedeutung aller Gebiete für die relevanten Arten vornehmen zu können, wurden separat für die Artenzahlen und für alle ökologischen Funktionen Rangzahlen vergeben und aufsummiert. Die sich daraus ergebenden Rangsummen mit den entsprechenden Rangfolgen sind in Tabelle 5 angegeben. Mit diesem Verfahren lassen sich die fischökologisch bedeutsamsten Gebiete herausfiltern. Die meisten dieser Gebiete beherbergen besondere Laichareale für bestimmte Arten, die für das gesamte Untersuchungsgebiet von essentieller Bedeutung sind (siehe Tabelle 5: Besonderheiten).

Die wichtigsten 10 Gebiete sind (in Klammern die Gebietsnummer):

(6) Lühemündung, Lühesander Süderelbe und Elbinsel Lühesand (vgl. Kap. 7.7)
(13) Pinnau (vgl. Kap. 7.14)
(3) Zollenspieker (vgl. Kap. 7.4)
(2) Ilmenau-Luhe Niederung (vgl. Kap. 7.3)
(8) Wedeler Marsch (vgl. Kap. 7.9)
(1) Altengammer Elbwiesen (vgl. Kap. 7.2)
(5) Mühlenberger Loch, Hahnöfer Nebenelbe, Neßsand, Hanskalbsand (vgl. Kap.7.6)
(18) Unterelbe zwischen Barnkrug und Otterndorf (vgl. Kap. 7.19)
(4) Heuckenlock, Schweenssand (vgl. Kap. 7.5)
(7) Auetal (vgl. Kap.7.8)

Daneben kommt den Gebieten 12 (Wasserfläche zwischen Wedel und Kollmar einschließlich Pagensander Nebenelbe und Vordeichland nördlich der Krückaumündung) und 14 (Krückau) eine besondere Bedeutung als Laichgebiete für die Finte bzw. für Neunaugen zu.

In keinem der zu betrachtenden Gebiete werden durch die Auswirkungen der geplanten Bau- oder Kompensationsmaßnahmen Wanderwege für die Fische unterbrochen. Die Funktion als Wandergebiet wird nirgendwo beeinträchtigt. In den Gebieten 1 bis 4, die stromauf des geplanten Vorhabens liegen, gibt es Auswirkungen nur in Form von Veränderungen der Tidewasserstände und Strömungsverhältnisse. In den anderen Gebieten sind noch weitere Auswirkungen der Maßnahmen zu berücksichtigen. Zum Teil wird dadurch die Funktion als Laich- und Aufwuchsgebiet für die betreffenden Arten eingeschränkt (vgl. Kap. 7). In der Tabelle 1 im Anhang sind die Auswirkungen zusammengefaßt und die Beeinträchtigungen aufsummiert.

Danach sind folgende Gebiete am meisten beeinträchtigt:

(5) Mühlenberger Loch, Hahnöfer Nebenelbe, Neßsand, Hanskalbsand (vgl. Kap. 7.6)
(6) Lühemündung, Lühesander Süderelbe und Elbinsel Lühesand (vgl. Kap. 7.7)
(9) Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland (vgl. Kap. 7.10)
(18) Unterelbe zwischen Barnkrug und Otterndorf (vgl. Kap. 7.19)
(8) Wedeler Marsch (vgl. Kap. 7.9)

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß in der UVS keine erhebliche Beeinträchtigung der Fischfauna prognostiziert worden ist.

6.2.2.3 Pflanzen

Im Untersuchungsgebiet kommt eine Pflanzenart von gemeinschaftlichem Interesse gemäß Anhang II der FFH-Richtlinie vor (s.o.), die im folgenden behandelt wird.

 

Schierlings-Wasserfenchel

Das Untersuchungsgebiet der UVU zur Anpassung der Fahrrinne der Unter- und Außenelbe an die Containerschiffahrt umfaßt das derzeitige Verbreitungsgebiet des Schierlings-Wasserfenchels (Oenanthe conioides) nahezu vollständig. Diese hochgradig gefährdete Pflanzenart kommt weltweit nur im Bereich der limnischen Tideelbe vor. Die Art wird in den Roten Listen der Bundesrepublik, Schleswig-Holsteins, Niedersachsens und Hamburg als vom Aussterben bedrohte Art geführt (vgl. JEDICKE 1997).

Die erste umfassende Untersuchung über das Areal und das Vorkommen des Schierlings-Wasserfenchels ist die von JUNGE (1912). Kartierungen von BELOW (1997) und KURZ & KÜVER (KURZ ET AL. 1997) aus den Jahren 1994B96 sowie eine aktuelle Kartierung der Standorte im Juli 1998 (KURZ/BELOW 1998) belegen den starken Bestandsrückgang der Art. Die Fundstellen aus den Jahren 1994-96 und die heutige Verbreitung der Art sind der Karte 5 im Anhang zu entnehmen. Der Schierlings-Wasserfenchel ist in der Hamburger, Schleswig-Holsteinischen, Niedersächsischen und Bundesdeutschen Roten Liste stets als "vom Aussterben bedroht" verzeichnet. Als eine der Hauptursachen für den Rückgang der Art wird von BELOW (1997) die Erhöhung des Tidenhubs angenommen.

Eine Art ist immer dann möglicherweise betroffen, wenn ihr Lebensraum verändert wird. Der Lebensraum des Schierlings-Wasserfenchels ist das Flußwatt-Röhricht ohne Salzeinfluß (Biotoptyp FWR), das zum Lebensraumtyp von gemeinschaftlicher Bedeutung "Ästuare" gehört. Wie bei den Lebensräumen hergeleitet, findet in Quererstreckung eine Stauchung des Flußwatt-Röhrichts statt, wenn der obere Rand nicht in die nächsthöhere Vegetation ausweichen kann. In der Längserstreckung wird der Lebensraum durch Ausdehnung der Brackwasserzone ebenfalls verkleinert, da die Art nicht salztolerant ist. Da der Schierlings-Wasserfenchel aber nur einen bestimmten Teil des Lebensraums nutzt, ist nicht sicher vorherzusagen, ob die Lebensraumverkleinerung auch automatisch die Ansiedlungschancen und die Populationsgröße der Art verkleinern werden.

Um diese Frage zu entscheiden, muß die Autökologie des Schierlings-Wasserfenchels geschildert werden und in Beziehung zur Maßnahme gesetzt werden. Trotz umfangreicher Arbeiten von BELOW et al. (1996) und BELOW (1997) ist noch verhältnismäßig wenig über die Ökologie und Populationsbiologie der Art bekannt. Für weitere Forschungen bleibt kaum Zeit. Die Forschungs- und Wissensdefizite werden gegen Ende der Betrachtung aufgeführt.

Autökologie des Schierlings-Wasserfenchels

Der als prioritäre Art in Anhang II und IV der FFH-Richtlinie aufgeführte Schierlings-Wasserfenchel ist eine Pionierpflanze schlammiger Tideufer im reinen Süßwasserbereich. Er wird je nach Literaturstelle als zweijähriges oder winterannuelles Kraut beschrieben, d. h. er lebt im ersten Jahr, in dem er entweder im Frühjahr (zweijährig) aus überwinternden Früchten oder im Herbst unmittelbar aus gerade erzeugten Früchten (winterannuell) keimt, nur als niedrige Pflanze mit grundständiger Blattrosette. Erst nach dem Winter wächst im nächsten Frühjahr aus der teils zurückgefrorenen, aber bereits Reservestoffe besitzenden Rosette eine aufrechte, bis 1,5 m hohe Pflanze. Diese blüht, entwickelt Früchte und stirbt nach der Fruchtreife ab. Bei günstigen edaphischen und klimatischen Bedingungen kann die Pflanze auch im Frühjahr austreiben und im gleichen Jahr noch blühen und fruchten.

Diese Kurzlebigkeit ist eine wichtige Anpassung an einen sich ständig ändernden Lebensraum, in dem durch Uferverschiebungen und wechselnde Wasserstände die abiotischen Standortfaktoren der Art immer wieder verändert werden. Die eingeschränkte Beweglichkeit einer wurzelnden Pflanze wird auf diese Weise kompensiert. Eine langlebige Pflanze würde möglicherweise in einem verlandenden oder abbrechenden Schlickboden oder unter der Konkurrenz anderer aufkommender Arten eine ständige Schwächung ihrer "Fitness" erleiden. Durch die Produktion vieler Früchte können neue geeignete Standorte in einem hoch dynamischen Ästuar schnell erschlossen werden. Man nennt solche Arten mit Pioniercharakter, Kurzlebigkeit und vielen Verbreitungseinheiten "R-Strategen".

Eine wesentliche Bedingung, und dies kann man z. B. der Autökologie des Meersenfs entlehnen, ist die Erreichung geeigneter Standorte durch die Früchte. Meersenf besitzt Früchte, die auf dem Wasser schwimmen und dadurch exakt im Spülsaum der höchsten jährlichen Hochwässer landen. Dieser jährlich wechselnde nährstoffreiche Spülsaum ist der Haupt-Lebensraum des Meersenfs. Schierlings-Wasserfenchel, ebenso wie z. B. Queller, muß jedoch nicht in den Spülsaum, sondern in den oberen Teil des Flußwatts gelangen. Auf solche Standorte angepaßte Früchte müssen z. B. bei Wasserbedeckung über das Watt rollen oder zu ganz bestimmten Zeiten bestimmte definierte Schwimmfähigkeiten besitzen, um exakt an die bevorzugten Standorte zu gelangen. Möglicherweise spielt auch eine Resuspendierung des Schlicks bei jeder Tide eine Rolle. Es ist auch wahrscheinlich, daß an Orten hoher Sedimentation die Samen durch Überdeckung am Ort fixiert werden.

Die sich entwickelnden Früchte können offenbar sofort wieder austreiben, im nächsten Frühjahr austreiben oder erst im vielen Jahren. Dies hängt vermutlich von ihrem Lagerort ab. Im sauerstofffreien Schlicksediment können diese Früchte in größerer Tiefe offenbar viele Jahrzehnte überleben. Die Fruchtreserven können in allen Wattflächen des limnischen Untersuchungsgebiets liegen, über ihre Verteilung ist bisher jedoch nichts bekannt. Das vorletzte größere Aufkommen von ca. 300 Exemplaren in den Jahren 1996/97 im NSG Rhee im Osten Hamburgs war das Ergebnis einer Grabenbaggerung, bei der im Sediment gelegene Früchte an die Oberfläche kamen und spontan keimten. Das letzte größere Vorkommen im Rodewischhafen mit ca. 200 blühenden Exemplaren in den Jahren 1997/98 geht auf die Einspülung samenhaltigen Baggerguts zurück.

 

Mögliche Ursachen des Rückgangs

a) Wassertrübung

Die Trübung der Elbe ist im Vergleich zu anderen Gewässern außerordentlich hoch. Im Durchschnitt absorbiert eine Wasserschicht von 15 cm in der Elbe 68% des Lichts (KÖTTER 1961). Die hohe Trübung der Elbe hat zur Folge, daß heute keine Unterwasserpflanzen mehr im Fluß vorkommen. Pflanzen, die während jeder Tide überflutet werden, können daher in der Zeit des Untertauchens nicht weiter assimilieren und verringern ihre Nettoproduktion gegenüber einer Pflanze derselben Art in einem durchsichtigeren Wasserkörper.

Eine zunehmende Trübung der Elbe kann also ein Grund für die Abnahme einer zeitweise untergetaucht lebenden Art sein. Da sich die Trübung der Elbe in den letzten dreißig Jahren nicht wesentlich verändert hat, wohl aber die Individuenzahl des Schierlings-Wasserfenchels, ist dieser Faktor nicht als Ursache des Rückgangs anzusehen, allenfalls als ein Baustein sich verschlechtender abiotischer Faktoren.

b) Erhöhung des Tidenhubs

Nach Angabe von BELOW (1997) "kam es als Folge der an der Elbe vorgenommenen Strombaumaßnahmen im Zeitraum von 1910 bis 1995 zu einem Anstieg des Tidenhubs am Pegel Hamburg-St. Pauli von 2,20 m auf 3,50 m. Das bedeutet, daß höherliegende Gebiete bei Hochwasser häufiger und länger überflutet werden als früher, tiefliegendere Zonen bei Niedrigwasser dagegen länger trockenfallen. Der durch den Ausbau bewußt herbeigeführte vergrößerte Tidenhub und die damit verbundene erhöhte Fließgeschwindigkeit führten in Zusammenwirken mit dem verstärkten Schwell durch die Schiffe zu Uferschädigungen an natürlichen Ufern. Am nordöstlichen Ufer von Neßsand wurden beispielsweise seit 1982 rund 30 m des Sandstrandes abgetragen und das Wurzelgefüge des Röhrichtgürtels teilweise freigespült. Schon 1961 stellte KÖTTER bei einer starken Annäherung des Fahrwassers an das Ufer keine höhere Vegetation mehr fest."

Der geschilderte Sachverhalt ist größtenteils richtig, bedarf aber einiger kleiner Korrekturen. So sind nicht nur die Strombaumaßnahmen im besagten Zeitraum, sondern in vermutlich erheblichem Maße auch Vordeichungsmaßnahmen, Bau von Sturmflutsperrwerken, Abdämmung fast des gesamten Grabensystems im Zwischendeichsbereich Wischhafener/Kraut-/Gauensieker/Asseler Sand und der Haseldorfer Binnenelbe und Hamburger Süderelbe in diese Zeit gefallen, die die großflächige Energieverteilung der Tidewelle deutlich eingeengt haben.

Es sollte auch erwähnt werden, daß der Schierlings-Wasserfenchel an den meisten heutigen Standorten bereits seit Jahrzehnten bekannt ist. Seit jener Zeit hat sich die Tidenamplitude aber um mehrere Dezimeter erhöht. Wäre die Tidenhuberhöhung ein wesentlicher Grund des Verschwindens der Art, so müßte sie an diesen Orten längst verschwunden sein. Also ist dieser Faktor nicht als Ursache des Rückgangs anzusehen, allenfalls als ein Baustein sich verschlechtender abiotischer Faktoren.

c) Erhöhung der Fließgeschwindigkeit

Die zweite Korrektur betrifft die erhöhte Fließgeschwindigkeit. So stimmt zwar die Feststellung, daß die Fließgeschwindigkeit in der Fahrrinne und den fahrrinnennahen Bereichen mit jeder Vertiefung angestiegen ist, aber in den fahrrinnenfernen Teilen ist sie stets gesunken. Dies ist auch bei einem stets gleichen Energieeintrag von der Tidewelle der Nordsee her zu erwarten. Wenn die Rauhigkeit und damit die Reibung Wasser/Sediment in der Fahrrinne sinkt und die eingetragene Energie dort weniger gedämpft wird, bleibt weniger Energie für die Seitenbereiche übrig. Die Beobachtung von KÖTTER (1962), daß an den Stellen keine höhere Vegetation mehr steht, an denen die Fahrrinne sich dem Ufer nähert, läßt sich mit erhöhter Fließgeschwindigkeit im Randbereich der Fahrrinne erklären, nicht jedoch der Rückgang des Schierlings-Wasserfenchels. Dieser steht natürlicherweise auf Schlick am Gleitufer der Elbe weit entfernt von der Fahrrinne und damit in einem Bereich, in dem die Fließgeschwindigkeit in den letzten dreißig Jahren überwiegend abgenommen hat.

d) Erhöhung des Wellenanlaufs

Es hat sich gezeigt, daß am Festlandsufer des Mühlenberger Lochs die Art derzeit immer seltener wird, sich aber am geschützten Südufer von Neßsand/Schweinesand noch besser halten konnte. Gute Vorkommen im nicht mehr genutzten und verschlickten Moorburger Hafen und im NSG Heuckenlock legen den Schluß nahe, daß ein sanft ansteigendes Schlickufer, das vor deutlichem Wellenschlag geschützt ist, als Ansiedlungsort geeignet wäre. Im Moorburger Hafen ist die Art durch eine Abwrackwerft deutlichen Belastungen ausgesetzt, die sie, wenn diese denn relevant wären, stärker einschränken müßten als am Ufer des Mühlenberger Lochs. So kann man vermuten, daß die Armut von Wellen im geschützt liegenden Moorburger Hafen, auf Neßsand und im NSG Heuckenlock ein wesentliches Kriterium der Ansiedlung sein müßte, während die Qualität des Wassers und der Sedimente nur eine geringe Rolle spielt (siehe Keimungsversuche bei BELOW (1997): Beste Keimung auf Kultursubstrat).

Für die Bedeutung des Wellenschlags als begrenzenden Faktor spricht auch, daß gelegentlich ausgerissene Jungpflanzen gefunden wurden, die sich im sehr weichen Schlick ihres bevorzugten Lebensraums nur halten können, wenn sie nicht herausgespült oder von Wellen umgeworfen werden.

 

e) Zunahme des Uferverbaus

Mit der weitreichenden Ersetzung der natürlichen Schlickstandorte durch Sandaufspülungen, Steinschüttungen und -pflasterungen und der Nutzung der höhergelegenen Außendeichsgebiete geht eine Veränderung der natürlichen Uferzonierung mit Röhricht und Weichholzaue über verschiedene degenerative Röhrichtstadien bis hin zu standortfremden Trittrasen, Grünland- und Trockenheitszeiger-Beständen einher (SEELIG 1992). Während der zweite Endemit, die auf Sandufern und in Pflasterungen lebende Wibel-Schmiele (Deschampsia wibeliana), durch die Zunahme sandiger Uferstandorte begünstigt wird und sich ausbreitet, nehmen der auf Schlickufer spezialisierte Schierlings-Wasserfenchel ebenso wie die Schlickufer selbst beständig ab. Gerade durch die vielen Sandvor- und -aufspülungen verschiebt sich hier der Gesamtlebensraum des Schierlings-Wasserfenchel zu seinen Ungunsten. Unsere diesjährigen Begehungen haben gezeigt, daß die Art vor allem zwischen Mittelwasser und Dreiviertelwasser (s. u.) wächst, also genau in dem Bereich, in dem in der Regel die Steinschüttungen liegen.

f) Abnahme geeigneter Standorte

Nach bisher veröffentlichten Daten ist der Schierlings-Wasserfenchel wesentlich durch Abnahme seiner optimalen Lebensräume zurückgegangen. Schon in den Kartierungen früherer Jahrzehnte wurden die Standorte an der Haseldorfer Binnenelbe und der Süderelbe in Hamburg als die bei weitem größten bezeichnet. Beide Nebengewässer sind in den sechziger Jahren abgedämmt worden und haben damit zu einem Verlust von deutlich mehr als der Hälfte des Bestandes geführt.

Wie bereits ausgeführt, gab es früher große Bestände auf Spülfeldern, die seit der Umstellung auf Campagnenbetrieb verschwunden sind. Auch wenn es sich um Sekundärstandorte handelt, kann jedoch mit abfließendem und in die Elbe zurückgeführtem Wasser ein erheblicher Teil der gebildeten Früchte wieder in die Elbe gelangt sein und dort zur Fruchtreserve beigetragen haben. Heutzutage gibt es nur noch bei der Anlage konventioneller Spülfelder wie im NSG Rhee, im Hafenspülfeld Glückstadt und im Rodewischhafen und bei der Grabenräumung wie im Neu Wulmstorfer Moor gelegentlich an die Oberfläche gespülte oder gebaggerte Früchte, die dann außerhalb des Tideneinflusses austreiben.

Nach bisher unveröffentlichter Meinung von KURZ ist der optimale Standort des Schierlings-Wasserfenchels ein Prielende. Hinter diesem Prielende muß sich auch noch ein Hinterland befinden, das nach Sturmfluten oder Hochwässern von diesem entwässert wird. Betrachtet man die jetzigen Standorte, die von BELOW, KÜVER und KURZ in den letzten 4 Jahren beschrieben wurden, so fällt auf, daß die Pflanze häufig an Prielenden steht. Dies gilt z. B. für 2 Prielenden mit Ansammlungen der Pflanze an der Haseldorfer Binnenelbe, die Enden der Priel-Seitenarme auf dem Overhaken, die Seitenarme und ein Prielende im Vordeichsland bei Laßrönne, ein Prielende im NSG Zollenspieker und einen Priel im NSG Neßsand.

Die besonderen ökologischen Bedingungen von Prielenden scheinen sich weitgehend mit den ökologischen Ansprüchen der Art zu decken. So kann die Art zwar überall auf schlickigem Substrat auskeimen und wachsen, wenn sie nicht beschattet wird, aber eben diese Beschattungsempfindlichkeit (nach BELOW (1997) wächst sie in Röhrichten bis maximal 75% Deckung) verhindert eine dauerhafte Ansiedlung. Wenn der Schierlings-Wasserfenchel erst einmal im Schlick wächst, so trocknet er durch seine hohe Verdunstungsleistung (KURZ et al. 1986) seinen Standort aus, durchlüftet den Boden mit seinen Wurzeln und schafft so gute Keim- und Wuchsbedingungen für andere Arten. Sobald jene ein dichtes Röhricht gebildet haben, wird der Schierlings-Wasserfenchel durch Beschattung von diesem Standort wieder verdrängt.

Dauerhafte Standorte können sich daher nur dort ausbilden, wo ständige Störungen ein Wachstum von Röhricht verhindern. Ideal ist hier ein Prielende:

  • Die Sohle eines Priel besitzt meist zu "flüssigen" Schlick, in dem die Pflanze umkippt,
  • der Rand des Priels ist trockener als die Sohle. Prielränder sind stets gegenüber der Umgebung besonders trockene Standorte, da aufgrund der schrägen Wände ein Absenkungstrichter des Bodenwassers gebildet wird.
  • Am Prielende greifen bei Sturmfluten die höchsten Kräfte an. Gerade bei Ablauf einer Sturmflut werden große Gebiete durch einen meist recht kleinen Priel entwässert, so daß hohe Strömungsgeschwindigkeiten entstehen. Am Prielende gibt es dann Auskolkungen, denen oft sogar mit technischen Befestigungen begegnet wird (z. B. auf Hanskalbsand am Auslauf des Sees).
  • Während bei solchen "Katastrophen" Röhricht samt den bestehenden Pflanzen des Schierlings-Wasserfenchels vom Wasserdruck abgeräumt wird, bildet sich wieder neu ein Pionierlebensraum für den Schierlings-Wasserfenchel an dieser Stelle.
  • Restfrüchte der Pflanzen, die vor der Sturmflut am Prielende standen, können auch nach Jahren noch auskeimen, wenn sie von den Wassermassen freigespült wurden. Durch die Tidenbewegung des Wassers gelangen diese Früchte auch wieder ans Prielende.

Durch die Abnahme fein verästelter Priele und ihren Ersatz durch geordnete und geräumte Gräben sowie das Abschneiden des Priel-Hinterlandes, dessen Wassermassen den Priel verändern, dürfte der größte Teil der Standorte verloren gegangen sein. Der Schierlings-Wasserfenchel braucht für sein Überleben an der Elbe eine hohe Dynamik.

Auch die Festlegung der Fahrrinne in den letzten Jahrzehnten trug möglicherweise zu seinem Rückgang bei. Vermutlich braucht die Art das Wechselspiel von Erosion und Sedimentation, das heutzutage stark eingeschränkt ist. Einerseits schaffen Sedimentationen neuen Lebensraum, indem sie Samen an geeigneten Orten festhalten, andererseits müssen durch Erosionen auch Samen freigespült werden. Bei den früheren häufigen Verlagerungen von Prielen und Rinnen in der Elbe dürfte dieses Wechselspiel viel bedeutender gewesen sein.

 

g) Zunahme der "Fitness" von Konkurrenten

Eine weitere zu diskutierende Möglichkeit wäre eine Mutation oder steigende "Fitness" ihrer Konkurrenten. Der Vergleich der Arbeiten von KÖTTER (1961) und IMMEYER (1996) über Tideröhrichte an der Elbe zeigen eine starke Zunahme des Schilfs, das offenbar andere Arten verdrängt hat. Es wäre denkbar, daß Schilf durch verbesserte Nährstoffversorgung oder Mutation in der Lage ist, die Standorte des früher vorgelagerten Schierlings-Wasserfenchels zu erobern und die lichtbedürftige Pflanze zu verdrängen. Für eine Veränderung der Konkurrenzkraft des Schilfs spricht auch das frühere Fehlen der Art im Brackwasserbereich. Während KÖTTER noch keinerlei Schilf in Neufeld angegeben hat, ist es heute dort eine der häufigsten Röhrichtpflanzen. Heutzutage kann Schilf auch im Brackwasser wachsen, in dem es allerdings nicht die Höhe und Biomasse wie im Süßwasser erreicht. Neben einer Mutation hin zur Salztoleranz ist auch eine verbesserte Nährstoffversorgung durch das Elbwasser denkbar, da Salz zwar die Vitalität von wenig salztoleranten Arten einschränkt, eine verbesserte Nährstoffversorgung die Einschränkung aber bis zu einem gewissen Grade kompensieren kann.

Die diesjährigen Begehungen zeigten auch eine erstaunlich geringe Keimrate unter dichten Beständen von Brunnenkresse (Nasturtium officinale). Schon wenn diese Art früher keimt und schneller wächst, als der Schierlings-Wasserfenchel kann sie ihn erfolgreich durch Beschattung unterdrücken.

Auswirkungen der Maßnahme

Wenngleich in einer Publikation über den Schierlings-Wasserfenchel (BELOW 1997) nahegelegt wird, daß die Art aufgrund der bisherigen Elbvertiefungen so stark zurückgegangen ist, ist diese Vermutung nicht zu belegen. Ein Einfluß der Elbvertiefung ist eher unwahrscheinlich, da die Größe der limnischen Wattflächen durch Erhöhung der Tidenamplitude in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. Der Lebensraum der Art hat sich im Verlauf der letzten Vertiefungen sicherlich zusammen mit der MThw-Linie nach oben geschoben, dürfte aber nicht vertiefungsbedingt kleiner geworden sein. Auch bei einer zukünftigen Elbvertiefung schiebt sich das als Standort geeignete Band im oberen Watt nur nach oben ins zurückweichende Röhricht hinein, ohne kleiner zu werden. Die drastische Verringerung der Individuen des Schierlings-Wasserfenchels auf wenige Prozente seines früheren Vorkommens ist nicht mit einer Zunahme oder Konstanz seines bevorzugten Lebensraums durch Elbvertiefungen zu erklären, sondern eher mit der Abnahme geeigneter Lebensräume durch Abdämmung der Haseldorfer Binnenelbe und der Hamburger Süderelbe.

Betrachtet man die noch vorhandenen Standorte, so fällt auf, daß es sich meist um Schlickufer hinter einem Wellenschutz handelt. (Moorburger Hafen, Ende eines Priels in Zollenspieker, Haseldorfer Nebenelbe, Südufer Neßsand usw.) Da geschützte Schlickbuchten und Priele mit offenem Schlickwatt an der Elbe heutzutage kaum noch vorkommen, kann das Fehlen wellengeschützter Standorte ebenfalls ein Grund für den drastischen Rückgang sein.

Betrachtet man die verschiedenen an anderer Stelle geschilderten Auswirkungen der Maßnahme der Fahrrinnenanpassung der Elbe, so sind folgende Faktoren zu berücksichtigen:

  • Die MThw-Linie verschiebt sich bis fast 4 cm nach oben,
  • die MTnw-Linie verschiebt sich um bis zu 7 cm nach unten,
  • der Tidenhub erhöht sich um bis zu 10 cm,
  • die Strömungsgeschwindigkeit in Ufernähe bleibt konstant, bzw. verringert sich eher, wenn nicht die Fahrrinne nah am Ufer verläuft,
  • die schiffserzeugten Belastungen verändern sich nicht,
  • der natürliche Wellenanlauf verändert sich nicht,
  • die Sedimentation verändert sich nur in wenigen definierten Bereichen,
  • die Wassertrübung wird nur in wenigen definierten Bereichen erhöht,
  • der Salzgehaltsgradient verschiebt sich um etwa 500 m stromauf.

Diskutiert man die einzelnen Faktoren, so ergibt sich:

Die Erhöhung der MThw-Linie hat möglicherweise Auswirkungen auf die Verteilung der für den Schierlings-Wasserfenchel geeigneten Lebensräume, da sich die an der MThw-Linie orientierenden Röhricht-Vegetationen verschieben werden. In der Umweltverträglichkeitsuntersuchung zur Maßnahme wird prognostiziert, daß sich das obere Flußwatt mit dem Flußwatt-Röhricht sowohl an seiner unteren wie an seiner oberen Kante nach oben verschiebt. Grenzt ein Landröhricht an, so verschiebt sich jenes auch nach oben und verliert seinerseits an Fläche. Wird die Obergrenze jedoch von landwirtschaftlichen Flächen oder topographischen Grenzen (Priele, Gräben, Wege usw.) gebildet, so verliert das Flußwatt-Röhricht an Fläche. Damit könnte auch der für den Schierlings-Wasserfenchel geeignete Lebensraum eingeschränkt werden.

Die Absenkung der MTnw-Linie hat keine Auswirkungen auf den Schierlings-Wasserfenchel, da die Pflanze im oberen Bereich des Flußwatts an der Grenze zum Röhricht und teils auch im Röhricht selbst vorkommt. Der untere Bereich des vegetationslosen Flußwatts und dessen Vergrößerung ist für die Art ohne Bedeutung.

Durch den erhöhten Tidenhub werden in Prielen größere Wassermengen bewegt. Dies kann in Prielen des Vordeichslandes, die zum bevorzugten Lebensraum des Schierlings-Wasserfenchels zählen, zu einem erheblichen Anstieg der Strömungsgeschwindigkeit führen, der die Ansiedlungschancen der Art negativ beeinflußt. Allerdings wirkt sich in den allermeisten Fällen nur die Erhöhung der MThw-Linie aus, da bereits bei der jetzigen Ebbe die meisten Priele vollkommen trockenfallen und damit von einer Erniedrigung der MTnw-Linie in keiner Weise betroffen sind.

Da die Strömungsgeschwindigkeit in Ufernähe konstant bleibt, bzw. sich eher verringert, sind keine Auswirkungen an den jetzigen Standorten des Schierlings-Wasserfenchels zu erwarten. An den Stellen, an denen die Fahrrinne nah am Ufer verläuft, kommt die Art ohnehin nicht vor und kann sich wegen des eher sandigen Substrats und der bereits vor Durchführung der Maßnahme hohen Strömungsgeschwindigkeit auch kaum ansiedeln.

Es ist allenfalls denkbar, daß eine Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit in den Prielen einen negativen Einfluß besitzt, durch den Samen weggespült und Keimlinge ausgerissen werden. Da alle betrachteten Priele, an denen die Art vorkam, bei Ebbe ohnehin trockenfallen, spielt nur die maximal 3,5 cm betragende Erhöhung der MThw-Linie eine Rolle. Wegen der vergleichsweise geringen Erhöhung durch die Maßnahme wird dieser Einfluß nicht als erheblich angesehen.

Nach Aussagen der Modellrechnungen der Bundesanstalt für Wasserbau verändern sich die schiffserzeugten Belastungen nicht, wenn die Höchstgeschwindigkeit von 12 Knoten eingehalten wird. Dann ist nicht mit höheren Wellen bei der Passage von Schiffen zu rechnen. Der natürliche Wellenanlauf verändert sich ebenfalls nicht bzw. allenfalls in einem Bereich um Brunsbüttel, in dem die Art nicht vorkommt.

Signifikante geomorphologische Veränderungen in Ufernähe, d. h. hier zusätzliche Sedimentation, ergeben sich an der Hahnöfer Nebenelbe, in einem ca. 200 m breiten Streifen am Nordufer von Hanskalbsand und auf der gegenüberliegenden Seite an der Wedeler Au. An diesen Stellen wird eine dauerhafte Ablagerung von Schwebstoffmaterial vorhergesagt. Abtragungen sind nicht anzunehmen. Ausbaubedingte Änderungen der Korngrößenverteilung lassen sich nicht vorhersagen.

Eine zusätzliche Anlandung von Schlick oder Sand im oberen Wattbereich würde die Entstehung neuer Flußwatt-Röhrichte fördern. Veränderungen der Qualität von Wattflächen, z. B. durch Korngrößenänderungen des Sediments, lassen sich aus den Modellergebnissen nicht herleiten. Eine Beeinträchtigung bestehender terrestrischer Lebensräume durch Auflagerung von Sand (Ausmagerung für manche Röhrichte und für Schierlings-Wasserfenchel schädlich) ist jedoch nicht zu befürchten. Während Schierlings-Wasserfenchel an der Wedeler Au und am Nordufer von Hanskalbsand nicht vorkommt, ist das Ufer der Hahnöfer Nebenelbe ein wichtiger Standort vieler Individuen, der sich mit steigender Sedimentation vermutlich tendenziell eher verbessert als verschlechtert. Es ist wahrscheinlich, daß an diesen Stellen die Erhöhung der MThw-Linie durch eine entsprechende Sedimentation kompensiert wird.

Signifikante Veränderungen des Schwebstoffregimes und damit der Wassertrübung ergeben sich in Süßwasserabschnitten in Flachwasserbereichen am südöstlichen Rand des Mühlenberger Loches und am Nordufer bei Hetlingen mit Schwebstoffkonzentrationszunahmen bis zu 20% bzw. 40%. Diese Zunahme der Wassertrübung könnte an beiden Orten den Schierlings-Wasserfenchel in seinen Ansiedlungsmöglichkeiten beeinträchtigen. Nach Rücksprache mit der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) handelt es sich bei diesen Werten jedoch um eine Vorhersage für einen dünnen Wasserfilm von nur wenigen Zentimetern Dicke, der höchstens die Schlickauflage auf unteren Blättern des Schierlings-Wasserfenchels vergrößern könnte. Er kommt am Nordufer bei Hetlingen nicht und am Südostufer des Mühlenberger Lochs nur in Einzelexemplaren gelegentlich einmal vor.

Der Salzgehaltsgradient verschiebt sich um etwa 500 m stromauf. Die obere Brackwasserzone kann bei niedrigem Oberwasserabfluß sehr langsam im Verlauf mehrerer Wochen bis in den Bereich Stadersand/Wedel vordringen und wandert bei Zunahme des Oberwassers innerhalb weniger Tage wieder um bis zu 20 km stromab. Sie wird durch die Maßnahme nur noch geringfügig weiter stromauf vordringen und sich verstärken. Die Zunahme der Salzgehalte beträgt bei Wedel 0,02 Promille, bei Stadersand 0,05 Promille und bei Glückstadt 0,1 Promille.

Die geringen Änderungen sind vor dem Hintergrund der großen natürlichen Variation in der Lage der Brackwasserzone und der Salzgehaltskonzentrationen mit großer Wahrscheinlichkeit von nur unerheblicher Bedeutung für die Verteilung des Schierlings-Wasserfenchels. Wenn überhaupt, ist nur das Vorkommen bei Glückstadt betroffen, das am Ufer des Spülfeldes Glückstadt-Süd den Standort mit dem höchsten tolerierten Salzgehalt belegt. Der letzte Nachweis in diesem Bereich datiert allerdings auf das Jahr 1992. In unseren Kontollen konnte die Art bisher nur auf den beiden Hafenspülfeldern, aber nicht mehr am Ufer der Elbe gefunden werden. In stärker salzhaltigen Elbabschnitten kommt die Art nicht mehr vor. Alle weiter östlich liegenden Standorte sind nicht betroffen.

Zusammenfassend kann sich die Erhöhung der MThw-Linie auf die Ansiedlungsmöglichkeiten des Schierlings-Wasserfenchels auswirken und ist weiter zu betrachten. Die Wirkung der Faktoren der örtlich begrenzt zunehmenden Wassertrübung im Mühlenberger Loch und der Salzkonzentrationsänderung in Glückstadt sind nach gutachterlicher Meinung nicht erheblich, da die Änderungen außerordentlich gering sind und die Art an beiden Stellen ohnehin nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Absenkung der Niedrigwasserlinie, Änderung der Strömungsgeschwindigkeit, der Sedimentation, des Wellenanlaufs, und der schiffserzeugten Belastungen sind Faktoren, die sich entweder nicht ändern, oder sich nach jetzigem Kenntnisstand nicht negativ auf den Schierlings-Wasserfenchel auswirken.

Verluste potentiellen Lebensraums durch die Maßnahme

Die Verschiebung des Flußwatt-Röhrichts und damit des bevorzugten Standorts des Schierlings-Wasserfenchels kann an Stellen, an denen der obere Rand nicht mit hinaufwandern kann, zu Verlusten von Lebensraum führen. Im Rahmen der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sollte die Schaffung entsprechend großer neuer Flußwatt-Röhrichtflächen im Bereich unterhalb der neuen MThw-Linie vorgesehen werden. Da auch die Verschiebung des Salzgehaltsgradienten und die damit verbundene Umwandlung von Flußwatt-Röhricht in Brackwasserwatt-Röhricht durch Maßnahmen des LBP ausgeglichen werden soll, verbleibt nur ein Beeinträchtigungsrisiko durch erhöhte Wassertrübung im Südosten des Mühlenberger Lochs. Dieses Risiko wird auch wegen des derzeitigen Fehlens der Art in diesem Bereich als unerheblich eingestuft.

Besonders erwähnt werden sollte die Überlegung, daß vom potentiellen Lebensraum des Schierlings-Wasserfenchels, dem unteren Flußwatt-Röhricht bzw. dem oberen vegetationslosen Flußwatt, der vermutlich im Untersuchungsraum mehrere Tausend Hektar groß ist, nach der Abschätzmethode von KURZ (vgl. MATERIALBAND VI) etwa 3% von Veränderungen durch die Maßnahme betroffen sind. Von diesen 3% ist aber nur ein sehr geringer Teil als Verlust zu bezeichnen. Ein Verlust tritt nur auf, wenn diese Flußwatt-Zonen nicht bei einer Erhöhung der MThw-Linie mit nach oben wandern können. Dies ist nur dort der Fall, wo Geländekanten oder anthropogene Nutzungen anschließen. Nach Schätzung ist dies nur bei etwa 10% der Uferlinie der Fall, so daß sich ein Netto-Lebensraum-Verlust von ca. 0,3% ergeben müßte. Es handelt sich dabei um den potentiellen Lebensraum des Schierlings-Wasserfenchels, von dem er nur weniger als 1% tatsächlich besiedelt. Dieser Verlust potentiellen Lebensraums wird als unerheblich angesehen.

 

 

Verluste aktuellen Lebensraums durch die Maßnahme

Da der Schierlings-Wasserfenchel nur in einem extrem geringen Teil seines möglichen Lebensraums tatsächlich als ausgewachsene Pflanze vorkommt, sollten alle aktuellen Standorte der Art auf mögliche Beeinträchtigung durch die Maßnahme hin genau untersucht werden. Alle derzeitig bekannten Standorte wurden in der ersten Julihälfte 1998 jeweils bei Niedrigwasser und teils auch bei Hochwasser durch KURZ und BELOW gemeinsam in Augenschein genommen. Es wurden jeweils Wasserstände gewählt, die weder durch Sturm noch Spring- oder Nipptiden beeinflußt waren. Elbabwärts geordnet ergibt sich folgendes Bild:

o Laßrönner Warder

Der am weitesten östlich gelegene bekannte Bestand von wenigen Exemplaren befindet sich im Bereich des Laßrönner Warder. Die Art wurde in etwa 10 Exemplaren 1995, von denen 5 blühten, von BELOW dort am Ende zweier großer Becken gefunden. Der trockenfallende Schlick der großen Becken bietet eigentlich geeignete Lebensbedingungen, da sich seine Oberfläche weithin etwa einen Meter unter der Hochwasserlinie (wie sie an den Schilfhalmen sichtbar wird) befindet. Die tieferliegenden Flächen sind frei von Höheren Pflanzen, gegen Ende der Priele und Becken hin nehmen Röhrichtinseln von Kalmus (Acorus calamus) langsam zu. Die Becken sind an einer Art Zulauf und am Rand zum Deich hin von einer Steinschüttung eingefaßt (ehemaliger Hafen?), in der ebenfalls viele Pflanzen wachsen. Mehr als die Hälfte des Warders wird von einem dichten und nur randlich von anderen Arten bewachsenen Schilfröhricht eingenommen, das bei Hochwasser an seinen tiefsten Standorten etwa 80 cm tief unter Wasser steht und bis über die MThw-Linie reicht.

Trotz intensiver Suche an den beiden Standorten, an denen die Exemplare des Schierlings-Wasserfenchels vor zwei Jahren gefunden wurden, konnten derzeit keine Exemplare mehr nachgewiesen werden. Auffallend war das Fehlen der Art in den dichten Beständen der Brunnenkresse (Nasturtium officinale) am Rand des Schlicks und auf der Steinschüttung. Wie auch an anderen Stellen (s. u.) scheint sich die Konkurrenz der Brunnenkresse nachteilig auf den Schierlings-Wasserfenchel auszuwirken. An den bekannten früheren Standorten kann die Art ohne weiteres nach oben ausweichen, wenn die Vorderkante des Schilfröhrichts ebenfalls mit hochwandert.

o NSG Zollenspieker

Im Naturschutzgebiet Zollenspieker wurden drei Exemplar von insgesamt etwa 10 Pflanzen der Art von BELOW 1995 und ein blühendes von KURZ 1996 an einem Prielende gefunden. Das Prielende war durch ein kleines Weidengebüsch gekennzeichnet. Die Nachsuche hat ergeben, daß genau an jener Stelle vermutlich ein Graben neu gebaggert worden ist und damit der einzige Standort verschwunden ist. Sowohl der Priel wie der neue Standort wurden genauestens abgesucht, ohne daß der Schierlings-Wasserfenchel gefunden werden konnte. Ein Nachweis im Jahr 1998 fehlt also auch hier. Am früheren Standort kann die Art jedoch ohne weiteres nach oben ausweichen.

o Overwerder

Bei Niedrigwasser wurden der Hauptpriel in Overwerder sowie mehrere kleine Nebenpriele begangen. Unter den vom Rand her überhängenden Weiden war der Schlick offenbar bereits zu hoch aufgewachsen, denn dort fand sich nur der Knollige Kälberkropf (Chaerophyllum bulbosum), der nach oben an den Schierlings-Wasserfenchel anschließt. Zwischen Weiden- und Kleingarten-bestandenem steilen Ufer und der fast vegetationsfreien Prielmitte hat sich ein dichtes Schilfröhricht mit gelegentlichen Treibselflächen gebildet, das selbst oberhalb eines ca. 40-80 cm hohen Geländesprungs steht. Es gibt also zwei ausgeprägte Geländesprünge.

BELOW fand die Art 1995 mit insgesamt ca. 15 Pflanzen, von denen sieben blühten, am oberen Prielende südöstlich des Rohr-Übergangs, unmittelbar nordwestlich und etwa mittig zwischen Übergang und Mündung. Bei einer intensiven Suche konnte nur noch ein kräftiges, aber nicht blühendes Exemplar von ca. 30 cm Höhe etwa in der Mitte zwischen Rohr-Übergang und Mündung gefunden werden. Es stand dort interessanterweise recht frei auf dem flachen Schlickboden eines Priel-"Altarms", d. h. einer ehemaligen Verzweigung, die nur noch einseitig an den Priel angeschlossen ist. In der Umgebung wachsen Teppiche von Wasserpfeffer (Polygonum hydropiper). Hier ist die Strömung stark beruhigt gegenüber der Haupt-Prielrinne. An allen drei bekannten Standorten kann der Schierlings-Wasserfenchel bei einer Erhöhung der MThw-Linie um 3,5 cm nach oben ausweichen, wenn das Röhricht ebenfalls zurückweicht. Wie am Hauptstrom zu sehen, erodiert dort das steile röhrichtbestandene Ufer recht schnell und stark und gibt die dicken Schilfrhizome frei.

o NSG Heuckenlock

Im NSG Heuckenlock fand BELOW 1995 ca. 100 blühende und 50 nichtblühende Pflanzen und 1996 mehr als 100 nichtblühende und keine blühenden. 1998 konnten insgesamt 600B1000 Exemplare des Schierlings-Wasserfenchels gefunden werden, von denen schätzungsweise nur etwa 60 Pflanzen blühten und sich der Rest im Rosettenstadium befand. Die Hauptmenge der blühenden Pflanzen stand am Priel an der Stelle, an der die Fußgängerbrücke ihn überquert. Im Sichtbereich der Brücke konnten 22 blühende Exemplare gezählt werden. Sie standen zumeist etwa 1 Höhenmeter oberhalb des Niedrigwasserstandes in dichter Vegetation aus Brunnenkresse (Nasturtium officinale), Kalmus (Acorus calamus), Strandsimse (Bolboschoenus maritimus), Wasserpfeffer (Polygonum hydropiper), Froschlöffel (Alisma plantago-aquatica) und Pfeilkraut (Sagittaria sagittifolia). Bereits bei Erreichen von drei Vierteln des Hochwasserstandes standen alle Pflanzen mit ihren Grundblättern im Wasser. Bei Hochwasser waren alle Pflanzen vollständig überflutet.

Am Hauptstrom konnten z. B. an Stellen mit gestörter Uferbefestigung (bei ehemaliger Bank) sechs Rosetten und eine blühende niederliegende Pflanze gefunden werden, weiter östlich noch viele Hundert Rosetten und vereinzelte blühende Pflanzen in Störstellen des Schilfröhrichts. Dies konnten große Treibselinseln sein, in denen Brunnenkresse dicht aufwuchs oder weit überhängende Weiden und umgestürzte aber weiterwachsende Pappeln in deren Schatten kein Schilf hochkam. Unter dem Schatten des dichten Blätterwerks konnten sich auf dem sonst fast vegetationsfreien Boden an mehreren Uferstellen mehrere Hundert Rosetten etablieren. Es ist allerdings anzunehmen, daß nur wenige Exemplare zum Blühen gelangen werden, da unter dem dichten Blätterdach der Weiden Lichtmangel herrscht. Am neu geschaffenen Priel im Südosten konnten an der Brücke ebenfalls einige Exemplare gefunden werden.

Es konnte beobachtet werden, daß im Übergangsbereich von Schilf zu Weidengebüsch etliche Pflanzen auf dem Boden lagen, aber dennoch blühten. Wenn sich eine Pflanze noch innerhalb der Schilfhalme befand, konnte sie sich an die Halme "anlehnen" und blieb eher aufrecht stehen. Die meisten dieser blühenden Pflanzen im Übergangsbereich erreichten über 1 m Länge, erhoben sich aber nur 20B30 cm über den Schlick. Bei auflaufendem Wasser schwammen die Stengel jedoch auf und trieben mit den Blüten eine Zeitlang auf dem Wasser, bis die Flut die Pflanzen völlig untertauchte.

Es konnten sogar auf der Steinschüttung am Hauptstrom einzelne kleine Rosetten und auch ein blühendes großes Exemplar gefunden werden. Dies liegt daran, daß im Heuckenlock die Steinschüttung so tief liegt, daß sie bei jeder Flut überschwemmt wird und sich dort auch an manchen Stellen Schlick zwischen den Steinen ablagert, der ein geeignetes Substrat liefert.

Bei etwa Mittelwasser, d. h. in der Mitte der Zeit zwischen Ebbe und Flut waren auf der Fußgängerbrücke über den Priel die kleineren Exemplare mit ihrer Basis bereits überflutet, während die größeren noch oberhalb der Wasserlinie standen. Nach Ablauf von drei Vierteln der Zeit zwischen Ebbe und Flut befanden sich bereits alle Rosetten unter den überhängenden Weiden am Hauptstrom unter Wasser. Bereits eine Stunde vor Hochwasser standen die Pflanzen an der Fußgängerbrücke über den großen Priel vollständig inclusive der Blüten unter Wasser.

o NSG Schweenssand

BELOW fand 1995 weniger als 10 Pflanzen, von denen ein Teil blühte. 1998 konnten im über 2,5 m hohen Schilfröhricht große Treibselinseln gefunden werden, in denen sich die Art damals fand, in diesem Jahr jedoch nicht. Im hohen Schilf konnte am Rande des Weidengebüsches unter überhängenden Pappelästen ein ca. 50 cm hohes nichtblühendes Exemplar gefunden werden. Etliche Rosetten wuchsen unter waagerecht überhängenden Baumästen. Unter der Baumscheibe einer umgefallenen Pappel wurden ebenfalls ca. 30 Rosetten gefunden. In Inseln mit Brunnenkresse und wenig Wasserpfeffer wurde die auch im Heuckenlock festgestellte Dichte von etwa einem Exemplar pro m2 bestätigt. Insgesamt kann von mehr als 100 Rosetten ausgegangen werden, die überwiegend am Übergang Schilf/ Weidengebüsch standen. Blühende Pflanzen wurden nicht gefunden. Anderthalb Stunden vor Hochwasser stand bereits die vordere Pappelreihe unter Wasser und damit alle vorgefundenen Schierlings-Wasserfenchel-Pflanzen.

o NSG Rhee

BELOW fand auf einem Spülfeld, das zur Aufnahme des Schlicks aus einem Graben diente, 1995 300B400 blühende Pflanzen und 1996 8B10 blühende von insgesamt 50B70 Pflanzen. Die Begehung im Jahre 1998 erbrachte keine Funde mehr. Der Schlick war inzwischen abgeräumt worden und das Spülfeld samt Samen und Pflanzen verschwunden.

o Moorburger Hafen

Während BELOW 1995 und 1996 im alten Moorburger Hafen etwa 20 bzw. 25 nichtblühende Pflanzen fand, konnten 1998 insgesamt sechs Exemplare des Schierlings-Wasserfenchels gefunden werden, von denen vier blühten. Bei einem kleinen Steg, der etwa in der Mitte der südlichen Seite durchs Röhricht führt, stand ein blühendes einem Meter vor dem Uferröhricht. Es erreichte eine Höhe von ca. 1,7 m und war vielstämmig. Die vier Hauptstämme lagen allerdings nieder und erhoben sich bei Niedrigwasser nur etwa 50B70 cm über den Schlamm. Diese Pflanze war durch ein vorgelagertes ca. 6B8 m entferntes Rohrkolbenröhricht etwas vor Wellenschlag geschützt. Sie war umgeben von Wasserpfeffer mit einzelnen Gift-Hahnenfuß (Ranunculus sceleratus) und Blutweiderich (Lythrum salicaria) sowie etwas Brunnenkresse, Wasserstern (Callitriche palustris), Wasser-Ehrenpreis (Veronica anagallis-aquatica) und Pfeilkraut.

Ein weiteres Exemplar zur Mündung hin war mit 2 m Höhe das größte in diesem Jahr gefundene und blühte reichlich. Zum Ende des Hafens hin gab es noch zwei kleinere und teils bis auf die Blattstiele abgefressene blühende Exemplare und zwei etwa 30 cm hohe nichtblühende. Eine Dreiviertelstunde vor Hochwasser stand bereits der Steg unter Wasser und alle Pflanzen des Schierlings-Wasserfenchels. Nur die 2 m hohe Pflanze dürfte selbst bei Hochwasser noch mit den Blüten aus dem Wasser herausragen.

o Köhlbrandufer von Kattwyk bis Mündung in die Norderelbe

Alle dort angegebenen Fundpunkte haben sich als Fehlbestimmung erwiesen. Es wurden dort viele Exemplare des Knolligen Kälberkropfs gefunden, jedoch keine des Schierlings-Wasserfenchels. Von der Struktur der Ufer her (sehr breite, hoch aufragende Steinschüttung mit sandigen Wattbereichen davor) ergaben sich auch keine Lebensmöglichkeiten für die Art. Nur auf den Wurzelteller einiger überhängender Weiden bestünde eine Ansiedlungsmöglichkeit. Diese Wurzelteller wurden ohne Ergebnis abgesucht. Ein aktuelles Vorkommen der Art kann (bis auf vereinzelte Keimlinge ohne Blühchancen) im Köhlbrand zwischen Süderelbe und Mündung in die Norderelbe ausgeschlossen werden.

o Peutehafen

Die von BELOW 1995 gefundenen vier Rosetten des Schierlings-Wasserfenchels konnten trotz intensiver Suche bei Niedrigwasser auf den Steinböschungen nicht wiedergefunden werden. Dennoch erscheint eine Eignung des Standorts zumindest für gelegentliche Vorkommen wahrscheinlich, da die Steinböschung stark verschlickt ist und wie im Heuckenlock bereits weit unter der MThw-Linie endet.

o Saalehafen

An der Biegung des Saalehafens in den Moldauhafen gibt es ein trockenfallendes Schlick-Flußwatt, das unterhalb einer hoch aufragenden Steinschüttung recht flach und vegetationslos bis an einen Anleger heranreicht. Die Steinschüttung ist teils stark verschlickt und böte ebenfalls Ansiedlungsmöglichkeiten für den Schierlings-Wasserfenchel. Aktuell konnten dort keine Pflanzen gefunden werden; eine Ansiedlung der Art erscheint jedoch aufgrund der Standortgegebenheiten möglich.

o Rodewischhafen

Erstmals im Jahre 1998 konnten im frisch zugespülten Rodewischhafen auf dem entstandenen Spülfeld ca. 20B50 Exemplare des Schierlings-Wasserfenchels von BELOW nachgewiesen werden. Da dort auch der Säbelschnäbler brütet, soll das Spülfeld vorerst erhalten bleiben; es wird jedoch nach einiger Zeit vollends aufgeschüttet und eingeebnet. Es handelt sich also um einen anthropogenen Standort, der nicht als dauerhaft anzusehen ist. Immerhin wäre es möglich, dort zur Erhaltungskultur der Art Samen zu sammeln, bevor alles eingeebnet wird.

o Norderloch

Noch 1996 und 1997 wurden von KÜVER und KURZ je ein Exemplar des Schierlings-Wasserfenchels am Norderloch an einem flach auslaufenden Schlickufer an der Kreuzung mit dem Steinwerder Kanal und unmittelbar vor der Zuschüttung unter der Norderlochbrücke des Ellerholzdamms gefunden. Beide Standorte sind zwischenzeitlich durch hochwassersichere Aufschüttung von Sand und Anlage einer Zufahrt zu einem Gewerbebetrieb vernichtet worden.

o Mühlenberger Loch

Im Mühlenburger Loch wurden früher etliche Funde berichtet, in letzter Zeit vermindern sich allerdings die Meldungen. Während KURZ noch einen Fundpunkt westlich der Este-Mündung aufführt, fand BELOW keinen Schierlings-Wasserfenchel mehr dort. Aus Zeitgründen wurde auf eine Begehung und Nachsuche vorerst verzichtet.

o Neßsand/Hanskalbsand

Auf Neßsand und Hanskalbsand wurden von BELOW und HOBOHM mehr als 100 blühende und ca. 50 nichtblühende Pflanzen gefunden. KURZ und KÜVER konnten viele dieser Funde ebenfalls bestätigen. Ein erneutes Aufsuchen dieser Standort war nicht notwendig, da nach Erinnerung aller Beteiligten dort überall ein Ausweichen nach oben möglich war.

o Teufelsbrück/Nienstedten

Drei Fundpunkte von KÜVER am Ufer von Teufelsbrück und Nienstedten bedürfen noch der Bestätigung. Da dort sandiger Untergrund vorherrscht, ist ein dauerhaftes Vorkommen der Art zweifelhaft. Eine Überprüfung wird noch in diesem Sommer stattfinden, aber in den folgenden Betrachtungen wird von einem Fehlen der Art an diesen Stellen ausgegangen.

o Haseldorfer Binnenelbe

In Haseldorf fand BELOW 1995 insgesamt acht Pflanzen, von denen drei blühten. Diese Stelle vor dem Deich hinter dem Ort Hohenhorst wurde 1998 erneut aufgesucht. Am Ende eines deichparallelen Grabens konnte man entlang eines senkrecht zur Elbe laufenden Grabens zwischen einem Schilfröhricht und einem Bandweiden-Gebüsch nach vorn zum Elbufer gelangen. Weder die mit Röhricht dicht zugewachsenen Gräben, noch die schlickreichen offenen Priele, noch die Schlickflächen der Haseldorfer Binnenelbe vor dem Röhricht, noch die Bandweidenkulturen zeigten irgendwelche Exemplare des Schierlings-Wasserfenchels. Selbst wenn die Art hier noch vorkommt, kann sie ohne weiteres nach oben ausweichen, wenn das dichte Schilfröhricht mit zurückwandert.

o Spülfeld Glückstadt-Süd

Am Elbufer des Spülfelds Glückstadt-Süd wurde 1990 von MIERWALD am Rande des "Kakaograbens", eines Abflußgrabens der Papierfabrik, sowie 1992 von KÖRBER am Priel um das Bielenberger Wäldchen herum Schierlings-Wasserfenchel angegeben. Der Priel wurde 1996 von BELOW inspiziert, jedoch kein Vertreter der Art gefunden. Ein Vorkommen wäre aber potentiell möglich. Am Elbufer des Spülfelds gelang unter großen Mühen ein Durchkommen zum Ufer-Schilfröhricht. Das Röhricht ist außerordentlich dicht und bietet eigentlich keine Voraussetzungen mehr für das Auftreten des Schierlings-Wasserfenchels. Der vordere Rand ist deutlichem Wellenschlag ausgesetzt, konnte allerdings wegen nicht ausreichend ablaufendem Wasser nicht aufgesucht werden. Der Schilfgürtel steht auf Sand, so daß ein Vorkommen der Art auch unwahrscheinlich erscheint. Der anschließende Weidengürtel ist vom Knolligen Kälberkropf dominiert, liegt also für den Schierlings-Wasserfenchel zu hoch.

Auf den beiden alten, elbseitig gelegenen Hafenschlick-Spülfeldern konnten jedoch noch viele Exemplare nachgewiesen werden. Auf dem östlichen fanden sich drei blühende Schierlings-Wasserfenchel-Pflanzen auf einer Dammstruktur im Inneren des wasserbestandenen Spülfelds. Sie waren ca. 70 c m hoch und hatten eher den breit ausladenden Habitus des Gemeinen Wasserfenchels (Oenanthe aquatica), aber doch die breiten Endfiedern des Schierlings-Wasserfenchels. Das flache Wasser des Spülfelds war zwar tidefrei, hatte aber niederschlagsbedingt schwankende Wasserstände. Auf dem westlichen Spülfeld standen mehr als 60 (ca. 100) blühende und bis 1 m hohe Pflanzen. Auch dieses Spülfeld war weitgehend mit Wasser bedeckt, in dem dichte Algenwatten schwammen. Die überwiegend randlichen Bestände eignen sich gut zum Sammeln von Samen.

Diskussion der Beobachtungen

Die Kontrolle aller bisher bekannten Standorte des Schierlings-Wasserfenchels erbrachte einige neue Ergebnisse. So konnte erstmals gezeigt werden, daß sich die Art etwa zwischen Mittelwasser und Dreiviertel-MThw-Linie anordnet. Sie steht grundsätzlich jeden Tag unter Wasser. Es ist sogar so, daß die meisten Pflanzen mitsamt Blüten unter Wasser stehen. Nur einzelne, bis ca. 2 m hohe Exemplare wie im Moorburger Hafen schauen bei mittlerem Hochwasser noch aus den Fluten.

Einer von vielen möglichen Gründen für das Wachstum unter täglicher Überflutung kann die geringe Resistenz des Schierlings-Wasserfenchels gegen Schneckenfraß sein. Es fiel auf, daß hoch stehende Exemplare einem größeren Fraßdruck ausgesetzt waren als weit unten wachsende. BELOW beobachtete bei Auspflanzversuchen mit der Art, daß fast alle Exemplare bis auf den Stengel von Schnecken abgefressen wurden.

Bezüglich der Konkurrenz mit anderen Arten konnte festgestellt werden, daß Schierlings-Wasserfenchel nicht in dichten Schilfbeständen vorkommt, wohl aber an deren Rand. Am Vorderrand des Röhrichts steht er in der Regel nur in wellenberuhigten Zonen wie z. B. an den Prielen in Overwerder, im Heuckenlock und im Moorburger Hafen. Die weitaus meisten Pflanzen wurden im Übergangsbereich zwischen Schilfröhricht und Weidengebüsch gefunden.

Es fiel weiterhin auf, daß in Schilfinseln, in denen Gemeine Brunnenkresse die Oberhand gewonnen hatte, der Schierlings-Wasserfenchel fehlte oder nur in geringen Mengen (ca. 1. Keimling pro m2, unter der Brunnenkresse verborgen) vorkam. Entweder ist die Brunnenkresse in der Lage, über die Wurzeln Substanzen abzugeben, die den Schierlings-Wasserfenchel hemmen, oder sie wächst früher hoch und beschattet ihn schnell. In Inseln mit Dominanz von Wasserpfeffer oder gemischtem Vorkommen beider Hauptarten konnte meist mehr Schierlings-Wasserfenchel gefunden werden.

Treibsellagen inmitten von Schilfröhrichten stellen nach BELOW ebenfalls einen geeigneten Standort dar. Durch die Treibsel-Einsschwemmungen bei Sturmfluten wird das Schilf in seinem Wachstum effektiv unterdrückt. Auf den dicken Lagen abgestorbener Pflanzenteile siedeln etliche Pionierarten, allerdings jeweils verschieden nach Höhenstufe. 1998 konnte Schierlings-Wasserfenchel in diesem Lebensraum nicht mehr gefunden werden, da offenbar während des letzten Sturms das Treibsel zu hoch abgelagert wurde und in der Höhenzone des Knollen-Kälberkropfs lag.

Es besteht eine große Verwechslungsgefahr mit Knollen-Kälberkropf (Chaerophyllum bulbosum), der sich in einer Höhenzonierung nach oben an den Schierlings-Wasserfenchel-Saum anschließt. Es wurden so gut wie nie beide Arten nebeneinander gefunden, es sei denn in kleinen Senken und Buckeln, in und auf denen sich beide Arten "richtig" plazieren konnten. Auch vegetativ ist eine Trennung beider Arten leicht anhand des Blattstiels möglich. Beim Schierlings-Wasserfenchel ist der Blattstiel im Querschnitt drehrund bis quer elliptisch abgeplattet, während er beim Knollen-Kälberkropf oben zwei Leisten trägt, d. h. unten konvex und oben konkav ist.

Nicht vorherzusehen war die zumindest in diesem Jahr vorherrschende Einengung der Standorte auf den Bereich um Hamburg. Sowohl die beiden elbaufwärts gelegenen Standorte Zollenspieker und Laßrönner Warder zeigten keine Exemplare wie auch die elbabwärts gelegenen bei Haseldorf und Glückstadt. Nur das noch betriebene Hafenspülfeld von Glückstadt besaß noch die Art. Die aktuellen Vorkommen von 1998 beschränken sich also auf den Bereich zwischen Overwerder und Hanskalbsand.

Innerhalb dieses Elbabschnitts war die Art an vielen Stellen vernichtet oder verschwunden. Eine positive Entwicklung mit deutlich mehr Individuen zeigte sich nur im NSG Heuckenlock, im NSG Schweenssand und im Moorburger Hafen, in dem früher keine blühenden Pflanzen gefunden wurden. Auch auf Neßsand/Hanskalbsand scheint die Entwicklung positiv zu verlaufen. An allen übrigen Fundstellen ist die Art zurückgegangen.

Insgesamt scheint der Schierlings-Wasserfenchel kontinuierlich seltener zu werden. Die Entwicklungen in den beiden Naturschutzgebieten deutet darauf hin, daß er eine gewisse Mindest-Populationsgröße benötigt, um eine stabile Population aufzubauen und daß diese Mindestgröße vermutlich in den meisten Gebieten langsam unterschritten wird. Stabile Populationen scheinen sich nur im Heuckenlock und auf Schweenssand zu finden. Der Art geht es derzeit offenbar sehr schlecht, und sie ist tatsächlich vom Aussterben bedroht. Dennoch geht der drastische Rückgang nicht auf die geplante und noch nicht durchgeführte Elbvertiefung zurück. Die Art benötigt dringend mehr geeigneten Lebensraum, der bei Ersatzmaßnahmen unbedingt in räumlicher Nähe zu den beiden NSGs geschaffen werden sollte.

Wissensdefizite

Wissenlücken der Autökologie des Schierlings-Wasserfenchels gibt es vor allem hinsichtlich der Lebensweise und der Populationsbiologie. Insbesondere zur Verteilung der Samenbank in den derzeitigen Süßwasser-Wattflächen ist nichts bekannt. Bei den Früchten selbst ist der Modus der Verteilung bezüglich des Schwimmverhaltens auf dem Wasser, auf dem Schlick bei Wasserbedeckung, bei Resuspension des Schlicks und die Ablagerung der Samen im Schlick unbekannt.

Versuche zur Keimfähigkeit der Samen werden im Gewächshaus des Botanischen Gartens derzeit im Auftrag der Umweltbehörde B Amt W B durchgeführt. Im Rahmen dieses Auftrags ist auch Schlick aus dem NSG Rhee in ein zugeschüttetes Hafenbecken, den Haken in Rothenburgsort, eingebracht worden, um die Möglichkeiten der Umsetzung und Züchtung der Art zu prüfen. Die Erforschung der Samenreserven im limnischen Tideelbebereich setzt eine große Zahl von Proben voraus. Dafür ist auch eine Altersdatierung von Bohrkernen der letzten hundert Jahre erforderlich, die wiederum Aussagen über die Sedimentationsverhältnisse der Vergangenheit liefern könnte.

Gleichzeitig soll im Botanischen Garten eine Versuchspopulation etabliert werden, von der zum Zweck der Wiederansiedlung und Stützung des Bestandes Samen gezogen werden sollen, da derzeit kein Samenvorrat für Versuche übrig ist.

Über geeignete Wuchsorte ist zu wenig bekannt. Noch ist nicht klar, warum der Schierlings-Wasserfenchel nur in einem extrem geringen Teil seines potentiellen Lebensraum überhaupt vorkommt.

Möglichkeiten der Ansiedlung

Für Pionierpflanzen sind Lebensräume verhältnismäßig einfacher zu schaffen als für Pflanzen alter Biotope wie z. B. alter Wälder. Es tritt jedoch das Problem des langfristigen Erhalts auf einer Fläche auf, der oft nur durch dauernde Pflege oder Zulassen von "Katastrophen" (Abräumen der Vegetation durch Sturmfluten, Eisgang usw.) gesichert werden kann. Sind die Ersatzlebensräume dem Sturmflutregime entzogen, wird sich schnell ein Röhricht ausbreiten, das den Schierlings-Wasserfenchel verdrängt.

So war der Schierlings-Wasserfenchel vor Einführung des Campagnenbetriebs auf den Hamburgischen Spülfeldern sehr häufig und konnte in mehr als 10.000 Exemplaren auf einigen Spülfeldern vorkommen. Auf anderen Spülfeldern fehlte er jedoch. Von unserem Büro gemeinsam mit der Uni Hamburg durchgeführte Untersuchungen zu Verdunstungsleistungen von Spülfeldpflanzen (KURZ, H., M. BÖTTGER & H. WIENBECK 1986) legten den Verdacht nahe, daß diese Art nur dann aufläuft, wenn die Oberfläche der frisch eingespülten Felder zu einer bestimmten Jahreszeit trockenfällt, in der der Schierlings-Wasserfenchel gerade keimt.

Beim heutigen Campagnenbetrieb mit wenigen Befüllungscampagnen im Jahr ist die Art auf den Spülfeldern nahezu verlorengegangen, obgleich sich der Schlick selbst und seine Fruchtreserven kaum verändert haben dürften. Interessanterweise kommt diese Art jedoch noch in Mengen auf herkömmlich genutzten Spülfeldern vor und konnte in mehr als 300 Exemplaren auf dem Spülfeld Rhee und in etlichen Exemplaren auf dem Hafenspülfeld Glückstadt gefunden werden. Dies spricht für eine noch überall vorhandene Fruchtreserve, die aber durch Baggerungen von Schlick auch ständig vermindert wird.

Leider ist zur Zeit noch nicht bekannt, wie die Früchte an ihre bevorzugten Standorte gelangen. Man weiß ebensowenig etwas über ihr Schwimmverhalten wie über ihre Lebensdauer. Von der Nachbarart Gemeiner Wasserfenchel (Oenanthe aquatica) ist nach tschechischen Untersuchungen (HROUDOVA ET AL. 1992) bekannt geworden, daß die Früchte etwa 10 Tage lang auf dem Wasser schwimmen und dann auf den Boden absinken. Dieses Wissen wäre essentiell für die Ansiedlung des Schierlings-Wasserfenchels, da er neu geschaffene geeignete Standorte selbst ohne Anpflanzung besiedeln können muß.

Die trockenen Früchte des Schierlings-Wasserfenchels schwammen im Versuch in ruhigem Wasser 3-10 Tage an der Oberfläche, in bewegtem Wasser 0,5-4 Tage (BELOW 1997). Die meisten keimfähigen Früchte keimten dann auf dem Grund des Versuchsgefäßes und waren 14-16 Tage nach Versuchsbeginn wieder alle zur Oberfläche emporgestiegen. Die Früchte sind also nur eine kurze Zeit nach Abfallen von der Mutterpflanze schwimmfähig. Sie werden dann mit der Flut an neue Standorte getragen, an denen sie auskeimen können. Wird die Mutterpflanze in dieser Zeit nicht von der Flut umspült, so verbleiben die Früchte in der Nähe der Mutterpflanze. Eine zweite Chance der Ausbreitung ergibt sich nach der Keimung der Jungpflanzen, die sich auf dem Wasser schwimmend an anderen Orten im Röhricht oder Treibsel verfangen können und dann dort anwachsen. Gelangen die Früchte jedoch nach der Schwimmphase in licht- und strömungsarme Tiefen, so werden sie dort konserviert und können über 30 Jahre lang im Wattsediment keimfähig bleiben (BELOW 1997). Nach BELOW ist ein wichtiger Ausbreitungsmechanismus der Sippe wirkungslos geworden, da sich die mehr oder weniger festgelegten Uferlinien und die fast unterbundene Dynamik verheerend auf ihre Ausbreitung auswirkt. Die Früchte werden nicht mehr durch Sedimentverlagerungen freigelegt und bleiben entweder in den Tiefen der Wattflächen gelagert, ohne eine Chance zum Keimen zu erhalten oder werden ausgebaggert und auf Spülfeldern dem biologischen Kreislauf entzogen.

Zusammenfassung der Aussagen zum Schierlings-Wasserfenchel

Die oben aufgeführten Überlegungen zum Schierlings-Wasserfenchel wurden aufgrund des derzeitigen Kenntnisstandes über die Ökologie und Populationsbiologie der Art entwickelt. Die Art ist in der Vergangenheit durch Vor- und Eindeichungen und damit Verlust gerade ihrer größten Vorkommen an der Alten Süderelbe und in der Haseldorfer Marsch sowie durch frühere Strombau- und Uferbefestigungsmaßnahmen bereits so stark beeinträchtigt, daß sie heute nur noch einen sehr geringen Teil ihrer früheren Individuendichte besitzt.

Die Beeinträchtigung der Art durch die vorgesehene Maßnahme der Fahrrinnenanpassung erscheint geringer zu sein als bisher angenommen, wenngleich sie aufgrund von Verlust geeigneten Lebensraums vorhanden ist. Die Maßnahmen werden einen sehr geringen Teil des potentiellen Lebensraums der Art verschwinden lassen. An den tatsächlichen Vorkommen wird sich jedoch nichts ändern, da dort ein Ausweichen nach oben um maximal 3,5 Höhenzentimeter in allen Fällen möglich ist. An den meisten der heutigen (nicht anthropogenen) Vorkommen ist die Art schon seit Jahrzehnten bekannt und damit auch bereits von früheren Elbvertiefungen betroffen, ohne verschwunden zu sein.

Fußnoten:

1.) Code nach NATURA 2000

2.) *: prioritärer Lebensraumtyp

3.) Code nach NATURA 2000

4.) *: prioritärer Lebensraumtyp

5.) Seiner mündlichen Mitteilung zufolge soll es jedoch Pflanzenbänder in diesen Auwäldern geben (Scharbockskraut/Sumpfdotterblume), die nur eine Höhenzonierung von 10 cm umfassen.

6.) Dieser Biotoptyp wurde in MATERIALBAND VI und der UVS als von der MThw-Erhöhung betroffener Biotoptyp beschrieben. Es wurden für die Biotoptypen WWS (Sumpfiger Weiden-Auwald) und WWT (Tide-Weiden-Auwald) zusammen Biotopflächenverluste von ca. 6,2 ha prognostiziert (vgl. UVS und Ergänzungsband zur UVS), davon betragen allein die für WWT prognostizierten Biotopflächenverluste rund 6 ha.